Oomph! machen wieder Musik
Anfang der 90er kam global Crossover in Mode. Musikgenre, die bisher nicht zusammenpassten, wurden quer durcheinander gemixt: HipHop mit Hardrock, Hardcore mit Metal, Rap mit Alternative. Seither ist es schwer, den Großteil der Bands zuverlässig in ihre Schubladen zu stecken. Im Falle von Oomph! wurde einfach ein neuer Begriff kreiert. Mit ihrer Mischung aus Rock, EBM, Metal und New Wave waren sie zunächst nicht zu kategorisieren. Durch die mehrheitlich deutschen Texte und die brutalen und erbarmungslos rohen Beats entstand dann irgendwann der Begriff Neue Deutsche Härte und Oomph! gelten demnach als ihre Pioniere.
Stilmittel bei der NDH sind vor allem auch die provokanten und reißerischen Texte. Damit reizen gerade Oomph! sehr gerne. Auch auf ihrem neuesten Werk Ritual, vier Jahre nach XXV.
Oomphs! Ritual
Am 18.01.2019 wurde Ritual aus der Taufe gehoben. Wir haben die Scheibe dem Moshcheck unterzogen und das ist unsere Meinung:
Wie man es von Oomph! gewohnt ist, startet man natürlich nicht gemächlich ins Hörvergnügen. „Tausend Mann und ein Befehl“ greift eins ihrer Lieblingsthemen auf und äußern den frommen Wunsch, dass es doch „nie wieder Krieg“ geben solle und der Gehorsam der Soldaten doch eher ins Verderben als in den Frieden führt. Musikalisch untermalt wird der Track selbstverständlich von den gewohnt stampfenden Drums und wirkungsvollen Gitarren, die es schaffen, eine Shlacht-ähnlichen Atmosphäre aufzubauen.
„Achtung! Achtung!“ ist melodischer im Refrain und in der Hookline, dafür hart in den Versen und in den Riffs. DEROs Gesang ist dabei glasklar, was einem den Text noch stärker ins Gehirn hämmert, als es der Song nicht sowieso tun würde.
Die erste Auskopplung von Ritual war „Kein Liebeslied“ und ist überraschenderweise kein Liebeslied, „aber trotzdem werdet Ihr es lieben“. Und ja, sie könnten recht haben. Sehr eingängig, in alter Oomph!-Manier erklingt im Hintergrund ein Klavier, das die düstere Stimmung unterstreicht.
In „Kein Liebeslied“ beschäftigen wir uns mit der Evolution der Menschheit und hinterfragen, was Menschen bis heute erreicht haben! Wir können es kaum erwarten, diesen Song live für unsere Fans zu spielen und freuen uns auf die Reaktionen!
Fragt man Menschen, die keine Fans von Oomph! sind, aber trotzdem dem Genre nicht abgeneigt sind, was deren Markenzeichen ist, wird schnell die Verwendung von Kinderlieder Melodien genannt. Die bekommen wir in „Trümmerkinder“ serviert. Textlich geht es darum, dass die Erben der Nachkriegsgeneration es ziemlich in den Sand gesetzt haben und „unsere Welt wieder in Schutt und Asche liegt“ und die Zukunft für unsere Kinder hoffnungslos ist.
Europareise mit Chris Harms
Für „Europa“ holte man sich den scheinbar nie untätigen Chris Harms von Lord Of The Lost dazu. Herausgekommen ist der für mich epischste Song des Albums. Inhaltlich eine Abrechnung mit der Europäischen Union und dass nicht zuletzt durch die Fehl- und Nichtentscheidungen in der Flüchtlingspolitik und dem unkontrollierten Brexit das Ende Europas eingeläutet wurde. Musikalisch ist der Song ganz klar vom Lord-Of-The-Lost-Stil geprägt: melodramatisch, düster, hymnenartig.
„Im Namen des Vaters“ ist ein gutes Beispiel dafür, was man beim Hören von Oomph! nicht tun sollte: Nicht zuhören! Häufig lässt man sich einlullen, schweift irgendwann mit den Gedanken ab und plötzlich reißt einen eine Textzeile zurück ins Hier und Jetzt. Und dann hört man den Titel noch einmal von vorne. Aufmerksam diesmal.
Kritisiert werden die Gefahren, die mit dem Eingriff in die künstliche Reproduktion und Genforschung einhergehen. Dabei sehen wir doch heute fast schon alle gleich aus, es wird versucht, unsere Meinung mit Algorithmen zu beeinflussen und uns gleichzuschalten. Oomph! treiben diese Entwicklung nur noch weiter auf die Spitze. Zudem kommt hier ein weiteres Stilmittel Oomphs! zu tragen: ihre Texte mit religiösen Floskeln und Anspielungen zu kombinieren.
Nein, „Das Schweigen der Lämmer“ hat nicht direkt etwas mit Hannibal Lecter zu tun. Düster und bedrückend ist er dafür umso mehr. Missbrauch unter dem Deckmäntelchen der Kirche – schlimm genug, dass darüber noch gesprochen und Lieder geschrieben werden müssen.
TRRR – FCKN – HTLR
Wer könnte diesen Titel nicht besser beschreiben, als der Verfasser selbst. So sagt DERO himself darüber:
Der Text zu TRRR – FCKN – HTLR soll in erster Linie die Verführbarkeit unserer Gesellschaft, sowohl auf politischer, als auch auf zwischenmenschlicher und religiöser Ebene verdeutlichen, meistens aufgrund von Schwachstellen im Bildungssektor („wer wenig weiß, der glaubt zuviel“).
Und weiter:
Im Chorus werden die weltweit immer noch am häufigsten im Internet und der sogenannten „Regenbogenpresse“ behandelten Themen angesprochen: HITLERS FASCHISMUS bzw. NAZI- DEUTSCHLAND, SEX und PORNOGRAFIE und TERRORISMUS. (…) Der Text setzt sich somit konstruktiv mit den drängenden Problemen innerhalb der modernen Gesellschaft auseinander und regt gleichzeitig zur Diskussion über dieses sehr relevante Thema an. Viele dogmatische und fundamentalistische Strömungen innerhalb der Politik, den Medien und der Religion wollen schließlich auch in der freien, säkularen und aufgeklärten Welt abweichende Meinungen unterdrücken oder gar verbieten.
Endspurt
Nach dem aufreibenden „TRRR – FCKN – HTLR“ fällt „Phönix aus der Asche“ gefühlt ein wenig ab. Es ist ein typischer und für Oomph! unspektakulärer Titel in bekannter und solider Machart. Hatten wir eben noch kein Liebeslied, hier ist es nun: „Komm und küss mich hier im Feuerregen, lass uns jetzt in Flammen steh’n“. Romantik pur! Oder so.
Mit einem röhrenden Hirschen beginnt „Lass die Beute frei“. Thematisch also ein Jagdlied, metaphorisch eher schwieriger bestimmbar, Aber auf jeden Fall macht es Bock auf einen Aufbruch. Musikalisch geht es ganz schön ins Ohr und lässt einen schon sehr früh mitwippen und -singen. Absolute Moshpit-Garantie mit seinen hämmernden Gitarren und dem Drum Solo. Bitte, bitte nehmt diesen Song auf Eure Konzert-Setliste!!
„Sie wollte einmal nur sein Herz berühr’n und endlich seine Grausamkeit versteh’n“ ist eine Zeile aus „Seine Seele“ – ein Song über ein in jungen Jahren entführtes Mädchen, das seelisch schon so verkümmert ist, dass sie glaubt, im Innern ihres Entführers tatsächlich eine reale Seele zu finden und sich mithilfe eines Messers auf die Suche danach macht. Die disharmonischen Klavierklänge unterstreichen die bedrückende Szene. Der komplette Song ist ein fulminanter Abschluss des neuen Meisterwerkes.
Fazit
Es wird so heftig, hart und düster wie schon lange nicht mehr!
Versprachen uns CRAP, FLUX und DERO vor der Veröffentlichung von Ritual. Heftig? Ja, denn die Themen Missbrauch, Krieg, Manipulation, Politik, Sozialkritik und Religion sind keine leichte Kost, und erst recht nicht, wenn Oomph! sie sich vorknöpfen. Plakativ hauen sie einem die Worte und Themen um die Ohren, meist in narrative Texte verpackt. Hart und düster? Selbstverständlich! Die drei geben an ihren Instrumenten natürlich immer noch alles, jedes dunkle, raue Wort von DERO sitzt, sie bauen in jedem Song eine für sie typische düstere Atmosphäre auf. Sie verstehen ihre Handwerk einfach und haben sich auch für Ritual nicht neu erfunden. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist die neue Scheibe eine absolute Kaufempfehlung.
Tracklist
1. Tausend Mann und ein Befehl
2. Achtung! Achtung!
3. Kein Liebeslied
4. Trümmerkinder
5. Europa (feat. Chris Harms / Lord Of The Lost)
6. Im Namen des Vaters
7. Das Schweigen der Lämmer
8. TRRR – FCKN – HTLR
9. Phönix aus der Asche
10. Lass‘ die Beute frei
11. Seine Seele
12. In der Stille der Nacht (Bonus Track)
13. Lazarus (Bonus Track)
14. TRRR – FCKN – HTLR (Lord of The Lost Remix) (Bonus Track)
Tourdaten
Der erste Teil ihrer Europatour führt Oomph! durch Deutschland:
01.03.19 Hannover, Capitol
02.03.19 Berlin, Astra
03.03.19 Hamburg, Markthalle
05.03.19 Bochum, Zeche
06.03.19 Wiesbaden, Schlachthof
08.03.19 Stuttgart, Im Wizemann
09.03.19 München, Backstage Werk
10.03.19 Dresden, Kraftwerk Mitte
12.03.19 Leipzig, Täubchenthal
13.03.19 Nürnberg, Hirsch
15.03.19 Köln, Live Music Hall
Band
OOMPH! Line-up:
CRAP – Guitar, Keyboards
DERO – Vocals, Drums
FLUX – Guitar, Sampling
Silvestri – Drums (Live)
Hagen – Bass (Live)
Felix – Keyboards (Live)
Okusa – Percussion (Live)
Bildnachweis: Napalm Records.