Review: Arjen Anthony Lucassen – Songs No One Will Hear
Arjen Anthony Lucassen ist zurück – und das mit voller Wucht. Der frisch zum Ritter geschlagene Tausendsassa, bekannt für Projekte wie Ayreon, Star One, Ambeon, Stream of Passion, Guilt Machine, The Gentle Storm und Supersonic Revolution, veröffentlicht sein neues Soloalbum. In diesem Review zu Arjen Anthony Lucassen Songs No One Will Hear geht es um ein Konzeptalbum, das die Grundfrage stellt: „Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass die Welt in fünf Monaten untergeht?“ – ein Asteroid nähert sich, das Ende ist unausweichlich.
Hörspielauftakt & Handschrift
Gestartet wird mit „End Of The World Show“, einer reinen Erzählung von Mike Mills (Toehider), die sofort Hörspielcharakter aufkommen lässt. Musikalisch geht es dann mit „The Clock Ticks Down“ los – und hier zeigt sich die unverkennbare Handschrift von Arjen Lucassen. Ob Gitarren, Bass oder Orgel: innerhalb weniger Takte ist klar, wer hier am Werk ist. Unterstützt von Marcela Bovio beweist Lucassen schon im zweiten Track, wie schwer er sich stilistisch festnageln lässt. Elemente aus all seinen Projekten schimmern durch, aber nie als bloße Wiederholung – immer mit frischen Ideen und der gewohnt druckvollen, transparenten Produktion.
Hörspiel – oder zu viel des Guten?
Zwischen (bzw. zu Beginn) der Songs tauchen wieder Passagen des Erzählers Mike Mills auf. Das verstärkt den Hörspielcharakter und verbindet die Stücke – kann sich aber stellenweise anfühlen, als würde es die Songs „verkleben“. Nervig wäre übertrieben, nötig aber auch nicht immer. Umso besser, dass es auf CD 2 das komplette Album noch einmal ohne Erzählungen gibt: Diese Version wirkt spürbar flüssiger und homogener.
Stilvielfalt ohne Beliebigkeit
Musikalisch fährt Lucassen alles auf, was ihn ausmacht: elektronische Elemente, Flöten, Hurdy-Gurdy, harte Gitarrenriffs, ruhige Passagen und melodischer Gesang. Besonders auffällig: sein eigener Gesang hat hörbar zugelegt – sicherer, kräftiger, präsenter. Man meint zwar gelegentlich, Stimmungen aus Ayreon oder Star One wiederzuerkennen, aber wirklich kopiert ist hier nichts – es wirkt wie eine stimmige Weiterentwicklung seiner Trademarks. Im Song „We’ll Never Know“ ist Nightwish-Sängerin Floor Jansen mit von der Partie und liefert ebenfalls wieder eine herausragende Leistung ab. Wie immer.
Das große Finale.
Mit „Our Final Song“ schließt das Album ab – und wie! Das 15-minütige Epos bietet von intimen Momenten über wuchtige Chöre bis hin zu progressiven Wendungen die volle Bandbreite. Mit dabei sind u. a. Irene und Floor Jansen, Robert Soeterboek und natürlich Lucassen selbst. Am Ende fällt der Satz: „Mission Completed – Let a New Phase Begin.“ Ein klassisches Lucassen-Ende, das Raum für Spekulationen lässt: folgt ein weiteres Soloalbum? Oder knüpft eines seiner Projekte wie Ayreon oder Star One thematisch an?
Formate & Gäste
Songs No One Will Hear erscheint digital sowie als CD-Digipak, 2LP Gatefold-Vinyl und als 36-seitiges Artbook (3 CDs + Blu-ray mit 5.1-Mix) über Inside Out. Neben Lucassen sind u. a. die Jansen-Schwestern Irene (Star One) und Floor (Nightwish), Robert Soeterboek, Marcela Bovio (Ayreon) und Patty Gurdy (Harpyie) zu hören; als Erzähler fungiert Mike Mills (Toehider).
Tracklist (CD 1 – mit Erzählung)
- End Of The World Show
- The Clock Ticks Down
- Goddamn Conspiracy
- The Universe Has Other Plans
- Shaggathon
- We’ll Never Know
- Dr. Slumber’s Blue Bus
- Just Not Today
- Our Final Song
Tracklist (CD 2 – ohne Erzählung)
- The Clock Ticks Down
- Goddamn Conspiracy
- The Universe Has Other Plans
- Shaggathon
- We’ll Never Know
- Dr. Slumber’s Blue Bus
- Just Not Today
- Our Final Song
Fazit
Arjen Lucassen hat es wieder geschafft: Ein Album, das seine Trademarks aus allen Schaffensphasen vereint und trotzdem frisch wirkt. Über 30 Jahre liefert er konstant Qualität – mal mit absoluten Meisterwerken, mal mit „nur“ guten Alben. Songs No One Will Hear zählt klar zu den stärkeren Momenten. Exzellente Gäste, überragender Sound – und wer Ayreon oder Star One mag, wird hier aufblühen. Wer bisher keinen Zugang zu Lucassens Welt gefunden hat, wird ihn vermutlich auch diesmal nicht finden.
Mehr Infos unter arjenlucassen.com
Bildnachweis: Inisde Out, Sony Music.
Pro:
+ Überragende, transparente und druckvolle Produktion
+ Unverkennbare Handschrift von Lucassen ab dem ersten Song
+ Enorme stilistische Vielfalt (von Flöten & Hurdy-Gurdy bis Elektro & Metalriffs)
+ Starkes 15-minütiges Finale „Our Final Song“
+ Namhafte Gastmusiker (Floor & Irene Jansen, Robert Soeterboek, Patty Gurdy, Marcela Bovio)
+ Lucassens eigener Gesang hörbar verbessert
Contra:
- Hörspiel-Passagen von Mike Mills teils überambitioniert / bremsen den Fluss
- Für Hörer ohne Bezug zu Ayreon / Star One bleibt der Zugang eher schwer
- Kein wirklich neuer Einstiegspunkt für Lucassen-Neulinge
- Bewertung