Dynamo Open Air 1995 – Drei Tage Ausnahmezustand
Eindhoven. Flughafen. 140.000 Metalheads. Mehr muss man eigentlich nicht sagen – aber ich erzähl’s trotzdem.
Nachdem ich 1993 schon auf dem Pinkpop und 1994 bei Rock am Ring und nochmal Pinkpop war, ging’s Pfingsten ’95 mit meiner Truppe zum ersten Mal zum Dynamo Open Air. Und was da los war, war einfach nicht von dieser Welt.
Das Line-up war komplett irre. Machine Head, Type O Negative, Biohazard, Fear Factory, Life of Agony, Paradise Lost, Dog Eat Dog, Madball, Nailbomb, Cradle of Filth, My Dying Bride, Tiamat, Grip Inc. – fast alles, was 1995 im Metal, Hardcore und Drumherum angesagt war, stand da auf irgendeiner Bühne. Dazu jede Menge Perlen, die heute vielleicht keiner mehr kennt, aber damals den Platz in Schutt und Asche gelegt haben.
Dynamo Open Air 1995 – Drei Bühnen, volles Programm
Dynamo hatte nicht nur eine Bühne, sondern gleich drei: die Main Stage, die Skate Stage und die Camping Stage. Und letztere war nicht bloß ein bisschen Beiwerk – da wurde von mittags bis tief in die Nacht durchgeballert. Man konnte sich komplett treiben lassen, ständig irgendwo was Neues entdecken – egal ob bekannter Headliner oder krasser Geheimtipp.
Das Timetable war dementsprechend vollgepackt. Freitag ging’s los mit Undeclinable Ambuscade, Earth Crisis, Snapcase, Schweisser, Hate Squad, Rich Kids on LSD und Mary Beats Jane. Später in der Nacht dann My Dying Bride und Tiamat – düster, hypnotisch, großartig.
Der Samstag startete mit Nevermore und Motorpsycho, dann Madball, Nailbomb, Fear Factory, Grip Inc., Dog Eat Dog – ein Highlight nach dem nächsten. Type O Negative um 21:20 Uhr und Paradise Lost um 23 Uhr waren für mich persönliche Höhepunkte, bevor es mit 35007 und Crash Worship völlig in den psychedelischen Wahnsinn abdriftete.
No Fun At All – von leer zu legendär
Am Sonntag wurde nochmal alles rausgeholt: No Fun At All, downset., Dub War, Trouble, Life of Agony, Machine Head – und zum Abschluss dann Biohazard, die das Festival final zerlegt haben.
No Fun At All spielten gleich um zwölf Uhr mittags auf der Skate Stage – und standen da erstmal vor vielleicht zehn Leuten. Kein Wunder bei der Uhrzeit und dem dritten Festivaltag. Aber die Bühne lag genau auf dem Weg zur Main Stage, und es war viel Bewegung im Gelände. Was dann passierte, war pure Magie: Immer mehr Leute blieben stehen, manche erst nur aus Neugier, andere, weil dieser melodisch-punkige NOFX-Vibe einfach sofort zündete.
Nach und nach wurde’s voller – und mit den letzten drei Songs spielten sie plötzlich vor einer komplett ausgerasteten Menge. Die Crowd war am Kochen, überall flogen Crowdsurfer durch die Luft, und die ganze Bühne vibrierte vor Energie. Als das Set vorbei war, saß der Sänger mit Tränen in den Augen am Bühnenrand, völlig geflasht von dem, was da gerade passiert war. Und ganz ehrlich – das war einer dieser magischen Festivalmomente, den du nie wieder vergisst.
MTV Headbanger’s Ball sendete damals eine Sondersendung zum Dynamo 1995, dank Youtube ist es auch heute noch zu sehen:
Offiziell 80.000 Leute – inoffiziell: ganz Holland voll
Die Veranstalter redeten von 80.000 Leuten – das war die Obergrenze, weil die Stadt sonst Stress gemacht hätte. Aber schon am Samstag wurde auf dem Gelände gemunkelt: „Hier sind locker doppelt so viele!“ Und ja – später kam raus: 140.000 Leute!
Zelte standen bis zur 10 km entfernten Autobahnauffahrt. Die gesamte Region rund um Eindhoven war einfach komplett überrannt. Aber statt Chaos gab’s nur eins: Gemeinschaft. Ich hab mit Leuten aus Japan, Brasilien, Australien, Norwegen gesoffen, gelacht, gemosht und geredet – als hätten wir uns alle schon ewig gekannt.

Nächte, die man nicht vergisst
Und dann war da diese letzte Nacht. Ich saß am Zelt, hör irgendwo tribalartiges Getrommel und bin los. Um einen der Orientierungstürme – die mit Überseecontainern gegen Kletteraktionen gesichert waren – hatten sich Hunderte versammelt. Alle schlugen mit allem Möglichen auf die Container: Zeltstangen, Steine, Hämmer. Jeder in seinem Rhythmus, alle zusammen wie ein kollektives Herzschlag-Monster.
Vier Stunden lang ging das so. Der Boden vibrierte, die Luft war elektrisch – und die Container danach komplett verbeult. Aber das war völlig egal. Das war einer dieser Momente, die du für immer mitnimmst.
Dynamo ’95 war kein Festival – es war ein Lebensgefühl. Drei Tage raus aus der Welt, rein in eine Parallelrealität aus Lärm, Schweiß, Staub, Bier und purer Energie. Wenn ich irgendwo einen DeLorean auftreibe, weiß ich genau, wohin’s geht.
Anzumerken bleibt noch, dass der Eintritt 25 Gulden kostete. Umgerechnet 13€!
Bildnachweis: Dynamo Open Air.