Witherfall sprechen über Live Auftritte und ihren besten Song
Witherfall haben während Ihrer European Tour 2024 in der Bochumer Trompete angehalten. Kurz vor dem Auftritt hatte ich die Möglichkeit mit Joseph, Jake und Anthony über Live Auftritte, das neue Album und Ihren besten Song sprechen.
Stephan (MP): Hey Leute, danke, dass ihr hier seid. Ich bin sehr stolz, dass dieses Interview heute hier in Bochum stattfinden kann. Witherfall macht jetzt seit mehr als 10 Jahren zusammen Musik und ihr habt 4 Alben, inklusive des neuen „Sounds of the Forgotten“, richtig?
Joseph (Gesang): Ja, Jake und ich haben vielleicht vor etwas mehr als 11 Jahren angefangen, Songs zu schreiben, und das erste Album kam erst 2017 heraus. Anthony (Bass, Anm. d. Red.) kam vor etwa 9 Jahren dazu.
Stephan (MP): Ihr seid gerade mit dem neuen Album „Sounds of the Forgotten“ auf Tour. Fühlt es sich so an, als würdet ihr für jemanden spielen, der bei der letzten Tour vergessen wurde? Besonders für die Fans in Griechenland, Deutschland und Frankreich?
Joseph: Das ist jetzt die dritte Show der Headliner-Tour. Das Publikum von Angra ist super, sie haben ihre eigene eingebaute Fangemeinde, und wir versuchen, sie für uns zu gewinnen. Aber es ist irgendwie verrückt. Wir haben wegen COVID, weil Adam gestorben ist oder wegen Terminproblemen keine Headliner-Tour gemacht. Es ist komisch, aufzutauchen und da sind ungefähr 100 Leute. Jeder von ihnen kauft Merch und kennt jeden verdammten Liedtext.
Es ist irgendwie berührend, weil es das erste Mal ist, dass wir das wirklich gesehen haben. Als wir beim Keep It True gespielt haben, waren einige Fans im Publikum, die die ganze Geschichte von Adam kannten, das war direkt nach dem Prelude-Album, was cool war. Aber jetzt ist es so, dass alle Gesichter im Publikum alles wissen, es ist ein bisschen emotionaler.
Jake (Gitarre): Ja, gerade Athen war besonders toll, aber das ist es dort immer. Es gibt eine gewisse Emotion, die durch die griechischen Leute geht. Es kamen Leute aus Zypern, die eine lange Reise auf sich genommen hatten und der Band schon lange folgten, das war sehr berührend. Dasselbe in Vitoria/Spanien, das war eine sehr besondere Show. Ich habe nach dieser Show geweint, weil es unser erstes Headliner-Konzert war, bei dem wir das Gefühl hatten, okay, wir können das schaffen. Das war einfach etwas Besonderes, weißt du, Träume werden wahr.
Stephan (MP): Habt ihr in Südamerika gespielt?
Anthony (Bass): Noch nicht, Mann.
Jake (Gitarre): Wir haben gerade Zentralamerika gemacht, Mexiko war verrückt, das war ein tolles Festival, und es wäre super, in Argentinien oder ähnlichen Ländern zu spielen.
Stephan (MP): Okay, nochmal zum neuen Album. Ich denke, es ist wahrscheinlich Euer bislang bestes, es ist ein bisschen zugänglicher, es geht meistens durch die Parts, ohne die Melodie und den Halt zu verlieren, finde ich. Was denkt ihr? Ist es während des Songwriting-Prozesses auch interessant, später mehr Feedback vom Publikum zu bekommen und vielleicht die Musik auch ein wenig berührender zu gestalten?
Joseph: Wir achten nicht wirklich auf das Publikum. Wir sagen immer, dass eine Band, die uns gut analog beschreiben würde, Queen ist. Man weiß es nicht, man kann es nicht sagen. Wenn du jemanden fragst: „Hey Mann, wie klingt Queen?“ und du gibst ihm einen Song, das funktioniert nicht. Man muss die ganze Geschichte und den Bogen und die verschiedenen Alben kennen. Ich denke, wir sind sehr ähnlich, weil wir keine Absicht haben, wenn wir anfangen zu schreiben. Wir schreiben einfach Songs. Das war’s. Wir versuchen nicht, in eine Schablone zu passen. Wir denken nicht: „Okay, dieses Buch handelt davon, also muss dieses Lied eine Ballade sein und dieses Lied ein heavy Song.“
Jake: „Sounds of the Forgotten“ hat einige der melodischsten Momente. Einer davon ist der Song When it all falls away. Und es hat auch einige der schwereren Sachen, wie Insidious und They Will Let You Down. Es ist wie eine große Bandbreite, einige der schwersten und weitesten Sachen, die wir in unserer Karriere gemacht haben, in einem Album. Ich denke, es erweitert einfach das, was man so nennt. Wir haben so viele Einflüsse. Schau dir Anthony an. Er spielt Gospel, R&B und hat einen Metal-Hintergrund.
Anthony: Ich bin überall dabei.
Stephan (MP): Es ist gut, ein bisschen zu mischen.
Anthony: Ich denke, das funktioniert irgendwie für die Band, weil ich glaube, es gibt nicht viele Bands in unserem Genre. Die sagen: „Oh ja, wir machen diese Metal-Show und dann spielen wir am Sonntag in der Kirche.“ Es gibt nicht viele, soweit ich weiß. Also denke ich, viele Einflüsse in meinem Hinterkopf tragen auch zu dieser Band bei.
Jake: So wie der erste Basslauf von Anthony, der klang wie etwas aus dem R&B, oder?
Stephan (MP): Ja, cool, wenn ihr das habt und versucht, es mit einer Metal-Gitarre neu zu arrangieren und alles zusammenzubringen.
Jake: Genau. So haben auch alle unsere Lieblingsbands gearbeitet, wie du Queen erwähnt hast und Bands, die ein eigenes, originelles Sound-Design entwickelt haben, denke ich. Wenn du eine Gruppe von Leuten hättest, die nur Pantera hören und Musik spielen, wird es am Ende wie Pantera klingen. Oder wie eine Kopie davon.
Stephan (MP): Guter Punkt. Gibt es einen Song, den ihr immer live spielen müsst, weil er euch so gut gefällt? Wenn man mich fragt, wäre es …and they all blew away.
Joseph: Jeder fragt danach, aber der würde die Hälfte des verdammten Sets einnehmen :-).
Stephan (MP): Es gibt zwei Versionen davon.
Joseph: Ja, weil die Radiosender uns nicht ließen. Und das Label liebte diesen Refrain. Sie fragten: Was können Ihr damit machen?
Jake: Für mich gibt es nur die volle Version.
Stephan (MP): Wurde er jemals im Radio gespielt?
Jake: Ich glaube nicht, dass die volle Version jemals gespielt wurde. Ich meine, wenn wir die volle Version spielen würden, hätten wir schon Schwierigkeiten mit unserer Zeitplanung. Bei Angra hatten wir 50 Minuten auf der Bühne. Das sind etwa sechs Songs.
Joseph: Ja, bei einigen Shows haben wir zwei gekürzt und einen langen hinzugefügt. Also fünf Songs. Es war wie Vintage, Nobody Sleeps Here, Tempest, Moment of Silence. Das sind etwa 40 Minuten.
Jake: Aber um deine Frage zu beantworten, es ist schwer mit den zeitlichen Einschränkungen, weil wir auch so ein vielfältiges Repertoire haben. Bei einer Support-Show denken wir an die Band, die wir unterstützen, und passen unsere Setlist an. Zum Beispiel macht Angra melodisch-progressive Sachen. In Mexiko war das Publikum eher auf Heavy Metal eingestellt, also haben wir unser Set ein bisschen angepasst.
Joseph: Es gab Shows, da haben wir alles Verrückte gespielt.
Jake: Ja, aber Vintage jeden Abend zu spielen, ist für mich sehr besonders, weil es um die ganze Geschichte dahinter geht. Es ist immer noch mein Lieblingssong von Witherfall, weil er so viel Emotion trägt. Wenn wir genug Zeit haben, ist das mein Favorit.
Stephan (MP): Also kein Song, den ihr immer am Ende oder Anfang des Sets spielt?
Joseph: Richtig, es ist seltsam, dass dieser Song nie wirklich in den Algorithmen aufgegriffen wurde. Wenn man sich die Anzahl der Aufrufe des Videos ansieht, ist es fast nichts. Es ist auf der Labelseite. Aber jedes Mal, wenn wir spielen, kennt jeder die Texte zu diesem Song. Wir weinen dann. Es ist ein Fan-Song, ja, auch die Leute weinen bei diesem Song. Es gibt eine ganze Geschichte dazu, es ist irgendwie unheimlich zu sehen. Besonders das Ende ist wunderschön.
Stephan (MP): Und wie ist der Songwriting-Prozess bei dir und Jake, Joseph? Produziert ihr ein Demo zu Hause und geht dann in den Proberaum, um es gemeinsam zu machen?
Joseph: Ja, Jake und ich machen das, und dann bringen wir es rein in die Band, aber nein, es gibt keine Proben.
Jake: Nun, es ist in zwei Teile unterteilt, denn Anthony kommt irgendwann immer ins Bild und fragt sich: Was zur Hölle macht ihr da?
Joseph: Jake und ich sitzen im Grunde wie zwei jugendliche a la Lennon und McCartney zusammen und werfen Melodien und Ideen hin und her, bis uns etwas gefällt, und dann packen wir es als grobes Demo in Pro Tools. Danach bearbeite ich es, also ich editiere Dinge, wie ich sie brauche, z. B. für den melodischen Bogen oder so etwas. Und dann zeigen wir es Anthony, so nach dem Motto: Hey, wir brauchen diese Brücke, was denkt ihr? Aber der eigentliche Songwriting-Prozess ist Jake und ich zusammen. Später bringen wir die Band ins Spiel, und tatsächlich ist der letzte, der etwas hört, der Schlagzeuger.
Sie hören nichts. Wir arrangieren es. Es ist alles fertig. Ich mache die Tempomaps, und manchmal hören sie es erst, wenn es Zeit ist aufzunehmen. Wir mögen Überraschungen, ich probe nicht mal die Vocals vorher. Ich schreibe es und mache eine grobe Skizze. Das war’s. Ich rühre es nicht mehr an, bis ich ins Studio gehe, weil ich will, dass es spontan bleibt. Es soll sich nicht einstudiert anfühlen. Ich will, dass die Emotionen im Moment gespielt werden. Wenn ich es immer und immer wieder gemacht habe, verliert der Text seinen Impact.
Jake: Ich glaube, Anthony hat bei „Prelude in Sorrow“ gespielt. Das war… Oh, das war furchtbar. Und als es Zeit für Anthony war aufzunehmen, war es, glaube ich, vielleicht eines der wenigen Male, dass der Bass zuerst aufgenommen wurde.
Anthony: Ja, das war eine einzigartige Situation. Zunächst, weil sie die Drums gemacht haben. Ich mochte die Drums nicht. Es fiel mir schwer, in den Groove zu kommen. Wie er gesagt hat, ich mag es, in der Stimmung zu sein. Alles muss passen. Dasselbe gilt, wenn man Bass aufnimmt: Die Drums sind das Wichtigste für mich.
Jake: Er hat die Drums ausgeschaltet und zum Klick gespielt.
Anthony: Der Klick hat sich für mich seltsamerweise besser angefühlt als die Drums. Ich hörte diese Drums, nahm auf, und die ganze Zeit fluche ich im Kopf und kann mich nicht konzentrieren, weil die Drums so schlecht klingen. Das hat mich genervt. Also habe ich gesagt: Lass uns etwas ausprobieren und die Drums ausschalten.
Jake: Unsere Art zu schreiben und aufzunehmen ist wie die Metal-Version von Steely Dan. Wir wollen, dass das Album im Studio lebt, also muss es genau unseren Vorstellungen entsprechen, wir übernehmen immer mehr, als wir bewältigen können, weil wir 50, 55 Minuten Musik auf ein Album packen. Wir machen nicht die 35-Minuten-Sachen.
Es gibt viele Dinge, die man im Griff haben muss, und gleichzeitig muss man die emotionale Seite bewahren, das, was der Song ursprünglich sein sollte. Das ist immer sehr schwer. Das Schwierigste ist, anderen Musikern zu vermitteln, was man fühlt und will. Man kann so viel musikalischen Fachjargon benutzen, wie man will, aber manchmal vermittelt das trotzdem nicht die Botschaft.
Stephan (MP): Verstehe. Und was ist mit den Songs, die ihr jetzt live spielt? Arrangiert ihr etwas anders für den Live-Auftritt oder spielt ihr es, wie es ist?
Jake: Ein paar von ihnen sind anders arrangiert, aus Zeitgründen. Wenn wir eine Vorband-Slot haben und es zwei Minuten eines Songs gibt, die wir für Kopfhörermomente auf dem Album haben wollten, nehmen wir sie raus. Live sind wir nicht Pink Floyd. Wir haben keine Laser und all das Zeug. Also kürzen wir einige Teile. Und ja, es gibt viele Noten während der Show. 🙂 Also, einfach ist es nicht. Zumindest für mich nicht. Es erfordert viel Konzentration.
Stephan (MP): Gibt es nur eine Gitarre auf dem Album?
Jake: Auf dem Album spiele ich alle Gitarren.
Stephan (MP): Und live?
Jake: Da brauchen wir einen zweiten Gitarristen. Er macht…es gibt einen Begriff in Amerika, switchblade, vielleicht wie ein Schweizer Taschenmesser. Er kann alles, spielt Keyboards, Gitarren, Background-Gesang.
Anthony: Buchstäblich alles, was du brauchst, ich brauche es und er kann es. Er ist sehr offen. Und selbst wenn er es nicht kann, lernt er es. Er findet es heraus. Das liebe ich an ihm. Aber er ist definitiv ein essenzieller Teil der Live-Performance dieser Band.
Jake: Entweder haben wir das oder nicht. Wir spielen live keine Tracks oder Einspieler. Wir sind, glaube ich, eine der wenigen Bands, die einfach reinen Rock’n’Roll machen.
Joseph: Es ist traurig, weil es kein Rock’n’Roll mehr ist. Es ist stellenweise wie Disney.
Jake: Unsere Show ist Rock’n’Roll. So wie die Bands, die wir als Kinder mochten, wie die Show sein sollte, ein bisschen unvorhersehbar. Wir haben kein Skript. Manche Leute mögen das, manche nicht.
Stephan (MP): Okay, die letzte Frage, Leute. Was war die letzte Platte, die ihr gekauft habt?
Joseph: Jetzt kriegen wir Ärger. 🙂
Anthony: Ich kann diese Frage eigentlich gar nicht beantworten. Ich kann mich nicht mal erinnern, welche die letzte war, die ich gekauft habe. Ich kann dir sagen, was ich zuletzt gehört habe… die Brecker Brothers, Michael Brecker und Randy Brecker. Das habe ich heute zuletzt gehört.
Jake: Irgendein Jazz-Zeug, Mann. 🙂
Anthony: Es ist wie Metal-Jazz. Das ist verrücktes Zeug, ja. Das ist das letzte volle Album, das ich gehört habe.
Stephan (MP): Benutzt ihr Spotify?
Anthony: Nein, ich höre nur YouTube, nur manchmal Spotify.
Jake: Ich habe gerade nachgeschaut, die letzte Platte, die ich gekauft habe, war „Three of a Perfect Pair“, das King Crimson-Album für die Beat-Tour.
Joseph: Ja, und ich habe mir das neue Re-issue „October Rust“ von Type O Negative auf Vinyl geholt.
Stephan (MP): Vielen Dank Leute, passt auf euch auf, genießt Deutschland, Currywurst und den Rest eurer Europatour.
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