Testament – „Para Bellum“ (VÖ: 10.10.2025)
Fünf Jahre nach ihrem letzten Output „Titans of Creation“ sind Testament endlich mit einem neuen Album zurück. Die Thrash-Größen aus der Bay-Area um Gitarrist und Hauptkomponist Eric Peterson und Fronthüne Chuck Billy gehören seit ihrem legendären Debut vor 38 Jahren zu den unkaputtbaren Konstanten des Genres.
Für mich persönlich haben die Thrash-Legenden mit ihrem 2012er Album „Dark Roots of Earth“ den Höhepunkt ihrer modernen Phase und eine nahezu perfekte Scheibe abgeliefert. Die folgenden zwei Alben waren zwar technisch absolut astrein, konnten mich aber trotz Höchstwertungen von allen Seiten auf Albumlänge nicht mehr ganz so sehr in ihren Bann ziehen und hatten für mich bei weitem nicht mehr so großen Hitfaktor.
Nach dem Ausstieg von Gene Hoglan und der Nachricht, dass fortan Dave Lombardo wieder hinter den Kesseln Platz nehmen würde, war ich aber erstmal wieder mehr als neugierig. Schließlich hat die Slayer-Legende mit „The Gathering“ eine meiner absoluten Lieblingsplatten der Bandgeschichte eingetrümmert und mit seiner unbändigen Energie maßgeblich mitgeprägt. Die Freude währte aber nicht lange, schließlich hat Lombardo aufgrund seiner zahlreichen anderen Engagements kaum Zeit für Testament gefunden, also hat man lieber Jungspund Chris Dovas fest in die eigenen Reihen aufgenommen, was sich jedoch auch als exzellente Wahl herausstellen sollte.
Wiederentdeckte Brutalität
Das frische Blut hat den Alt-Thrashern hörbar gut getan und Eric Peterson hat zusammen mit Dovas die Brutalität im Schreibprozess gewaltig angezogen. „Para Bellum“ ist durchzogen von deutlichen Extreme-Metal-Einflüssen. Besonders Petersons Liebe zum Black Metal ist auf dem Album geradezu omnipräsent, wie im Opener „For the Love of Pain“ unschwer zu hören ist. Ein fieses, derbes Brett mit starkem Black– und Death-Einschlag, frischer und energetischer als jeder Song der letzten zwei Alben. Chuck Billy packt seine, in den mittleren 90ern liebgewonnenen, mächtigen Growls aus und braucht sich mit diesen hinter keinem Death-Metal-Sänger der Welt verstecken. Er teilt sich hier die Lead-Vocals mit Peterson, der in den vollen Black-Metal-Modus geht. Ungewöhnlicherweise kommt der Song ohne Gitarrensolo aus und statt Eric Peterson oder Ausnahme-Shredder Alex Skolnick übernimmt Bassist Steve DiGiorgio den Leadpart, was die Nummer zusätzlich auffrischt.
Nach diesem bärenstarken, unerwartet extremen Einstieg hält „Infanticide A.I.“ die Brutalität aufrecht und ist ein weiterer, etwas kompakterer Brecher und nicht umsonst die erste Single des Albums. Niederschmetterndes Brutalo-Drumming, furiose Klampfenarbeit und ein Chuck Billy in Höchstform. So klingt eigentlich keine Band, die seit fast 40 Jahren unterwegs ist, aber Testament haben immer noch einiges in sich. Die Lyrics mögen zwar ein bisschen albern wirken, aber hey, jeder Anti-A.I.-Song wird von mir dankend angenommen. Gerade in Zeiten, in denen das eigene Label anfängt, mit fürchterlich hässlichen Musikvideos auf diesen abscheulichen Zug aufzuspringen.
„Shadow People“ lässt dann vordergründig die Old-School-Thrashkeule schwingen und ist ein ebenso amtliches Brett, dass besonders durch das Zusammenspiel von Riffs und Vocals eine Menge Spaß macht. Die düstere Blackened-Schlagseite kommt aber auch hier effektiv zum Tragen. Nach diesen drei harten Vollknallern geht man mit „Meant to Be“ andere Wege. Die einzige Komposition aus der Feder von Skolnick ist eine epische, pompös inszenierte Powerballade, die als Track Nr. 4 gefühlt etwas zu früh kommt, nichtsdestotrotz für mich sehr gut funktioniert und das vorangegangene hohe Niveau mit weitaus zahmerer Gangart aufrechterhält. Testament haben schon immer ein sehr gutes Händchen für balladeske Stücke bewiesen, und dieses ist keine Ausnahme, vielleicht mittlerweile sogar mein liebstes. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Song für manche etwas zuviel des Gutem sein könnte. Für mich aber ein sehr, sehr starker Song mit viel Melodie, Gefühl und einem großartigen Chuck Billy, der nach dem Krawall der ersten drei Songs eine ganz andere Seite zeigt und in dieser ebenso voll überzeugt.
Der Ersteindruck könnte für mich nach vier Stücken kaum besser sein, danach jedoch lässt „Para Bellum“ etwas nach. „High Noon“ macht zwar Spaß, besonders durch seine Extreme-Metal-Einflüsse, ist aber alles in allem etwas platt und weniger herausragend als die vorangegangenen Stücke. „Witch Hunt“ ist ein noch viel brutaleres Brett und hinterlässt wieder mehr Eindruck, bevor dann mit „Nature of the Beast“ leider mein persönlicher Stinker der Platte folgt. „Black Jack“ war für mich schon alles andere als ein Highlight auf der „Brotherhood of the Snake“-Scheibe, jetzt widmet man sich mit dem Lied erneut der Gambling-Thematik. Und wieder kommt eine Nummer dabei raus, die für mich nur bedingt zünden möchte. Abgesehen davon, dass mir persönlich das Thema für einen Testament-Song und für die Größe und Epik die sie ausstrahlen etwas „klein“ und unpassend wirkt, gerät die Nummer auch in anderen Hinsichten ziemlich flach und vergessenswert. Die leicht hard-rockige Ausrichtung ist auf dem Papier eine nette Abwechslung, bis auf ein paar nette melodische Gitarren kann das Ding aber nicht viel. Gerade der Refrain fällt absolut ernüchternd aus.
Glücklicherweise können die letzten drei Songs wieder weitaus mehr und besonders „Room 177“ und der abschließende Titeltrack sind amtliche Bretter, mit starker Kreuzung aus Melodie und Brutalität.
Fazit
In seinen besten Momenten ist „Para Bellum“ ein wirklich großartiges Album, dass durch seinen starken Fokus auf extreme Einflüsse jede Menge Spaß macht und die Band so frisch und spielfreudig zeigt, wie lange nicht mehr. Ein durchgehend bärenstarker Klassiker der Marke „The Legacy“ oder „The Gathering“ steckt dann aber leider doch nicht in der Platte, auch wenn es nach vier Songs zunächst den Anschein machte. Nichtsdestotrotz lässt sich das Album auch mit seinen schwächelnden Momenten prima durchhören, eine etwas gestrafftere Laufzeit hätte aber gut getan. Das Positive überwiegt ohnehin und besonders mit „For the Love of Pain“, „Shadow People“ und „Meant to Be“ haben Testament hier große, vielseitige Hits im Gepäck.
Eric und Chris haben sich im Schreibprozess ordentlich ausgetobt und ihrer Extreme-Metal-Liebe freien Lauf gelassen und Chris gibt auf seinem Debut mit der Band eine knüppelharte, energetische Performance, der sich der Rest der Truppe anschließt. Alex Skolnick ist sowieso on fire und lässt fantastische Soli vom Stapel. Steve DiGiorgio mag zwar im Grunde für eine Band wie Testament etwas überqualifiziert sein, schließlich ist Thrash nicht immer unbedingt die Bass-fokussierteste Musik und der Kerl ist schlicht und einfach einer der besten seines Fachs. Er bekommt im Mix dennoch angemessen viel Platz und auch genug Momente, in denen der Fokus ganz ihm gehört. Und nicht nur, dass man einen der besten Bassisten und einen der besten Gitarristen des Genres in den eigenen Reihen vereint, hat man dann natürlich noch Chuck Billy. Die lebende Definition eines kraftvollen, vielseitigen, unverwechselbaren Metalsängers. Ob 1987, 1999 oder eben 2025: Der Typ ist eine absolute Macht am Mikro.
Eine abschließende Wertung fällt gar nicht so leicht. Mich mag nicht jeder Song vollends überzeugen, am Ende dominieren dann aber doch ganz klar die positiven Gefühle und ich bin mir zu 100% sicher, dass sich „Para Bellum“ auf lange Sicht weitaus besser halten wird als seine beiden Vorgänger, die mich bis heute nicht komplett abholen können. Die neu liebgewonnene Brutalität hat diesem Album jedenfalls sehr gut getan. Vielleicht wird diese manche abschrecken, für mich aber haben die Bay-Area-Legenden damit voll ins Schwarze getroffen.
Cover & Tracklist
01 For the Love of Pain
02 Infanticide A.I.
03 Shadow People
04 Meant to Be
05 High Noon
06 Witch Hunt
07 Nature of the Beast
08 Room 117
09 Havana Syndrome
10 Para Bellum
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Bildnachweis: Nuclear Blast Records.
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- Moshcheck