Host – „IX“ (VÖ: 24.02.2023)
1999 brachten die britischen Gothic-Doom-Metaller Paradise Lost mit „Host“ ihr wohl experimentellstes und kontroversestes heraus. Ein Album, mit welchem sich die Band vollständig von ihren Metal-Wurzeln löste und sich in elektronische Gothic-Darkwave-Pop-Rock-Gefilde, mit einem allgegenwärtigen Depeche Mode-Einfluss, aufmachte. Seitdem wurden Paradise Lost mit jedem weiteren Album wieder härter und metallischer, bis sie auf den letzten Platten erneut beim finsteren Death-Doom angekommen sind. Die Experimente von „Host“ blieben dabei eine einmalige Sache. Bis jetzt.
Unter eben diesem Namen haben sich jetzt nämlich die beiden Paradise Lost-Kreativköpfe Nick Holmes und Greg Mackintosh zusammengetan, um statt mit tiefgestimmten Doom-Riffs und brutalen Growls ihre akustische Düsternis wieder mit sanfteren, elektronischen Klängen nach außen zu tragen. „IX“ dürfte für nicht wenige Fans ein langersehntes Traum-Album sein und lässt sich wohl am besten als geistiger, modernisierter Nachfolger von „Host“ bezeichnen.
Der Synthesizer läuft wieder
Mit „Wretched Soul“ startet das Album unaufgeregt, schleppend, zunächst von einem einfachen Akustikgitarrenmuster, später von Streichern getragen in schwermütiger, gefühlvoller und schöner Form. Ein Song dem man, abgesehen von der modernen Produktion und Nick Holmes‘ gereiftem, tiefen Gesang, durchaus abkaufen könnte, er wäre tatsächlich ein nicht-verwendeter Track aus der „Host“-Ära.
„Tomorrow’s Sky“ dreht danach die Synthesizer voll auf und lädt mindestens zum Mitwippen ein. Ansteckende Gesangslinien, großartige Synthie-Melodien und pumpende elektronische Drums machen die Nummer zu einem ganz großen Highlight, welches ich aktuell unmöglich nicht mehrmals täglich (und gerne direkt hintereinander) hören kann. Garniert wird die Nummer mit simplen, aber maximal effektiven und geschmackvollen Leadgitarren-Einlagen, wie sie Greg Mackintosh seit jeher 100% draufhat. Der poppige, geradezu tanzbare Einschlag von „Tomorrow’s Sky“ bleibt auf „IX“ aber eher eine Seltenheit.
Holmes/Mackintosh – Auf das Duo ist Verlass
In „Divine Emotion“ geht es anschließend wieder düster und getragen zu, wobei vor allem Nicks tiefer, eindringlicher Vortrag im Chorus mitzieht. Das leichtfüßigere, (natürlich) dennoch melancholische „Hiding From Tomorrow“ mit seinem weitaus helleren, optimistischeren Klangbild fühlt sich danach wie ein richtiger Befreiungsschlag an, bevor „A Troubled Mind“ und „My Only Escape“ Tempo und Stimmung wieder in tiefere Gefilde kippen lassen.
Zu „Years Of Suspicion“ fällt mir wohl am treffendsten das Wort „episch“ ein. Mit seinem dynamischen Songaufbau mit klasse Spannungsbogen und seiner facettenreichen Instrumentierung mit tollen Gitarren- und String-Arrangements sticht der Song als einer der ganz großen des Albums hervor. Das simpler gestrickte „Inquisition“ würde gefühlt auch gut auf die „One Second“-Scheibe von Paradise Lost passen, bleibt aber trotz aller Qualitäten, die das Duo Holmes/Mackintosh immer mit sich bringt und gerade in Anbetracht des bärenstarken Vorgängersongs etwas blass. Der letzte Song „Instinct“ schlägt in eine ähnliche, schleppende und etwas minimalistischere Kerbe.
Fazit
„IX“ ist eine willkommene und gelungene Rückkehr zu den verloren geglaubten Synth-lastigen Klängen, die Paradise Lost um die Jahrtausendwende zelebrierten. Ein perfektes Album ist dabei zwar nicht rausgekommen, aber wer die unmetallischen Ausflüge der Briten mochte, sollte auch an „IX“ viel Gefallen finden. Denn egal in welche Richtung sich Holmes und Mackintosh aufmachen, es kommt einfach Qualität dabei raus. Seine besten Momente erzeugt das Album für mich vor allem dann, wenn es ein wenig aus dem akustischen Trübsal ausbricht und die Stimmung etwas auflockert. In jedem Fall aber bringen Host die Stimmung voll rüber, wenn auch nicht jeder Song dabei so richtig hängenbleiben will. Die Tatsache, dass dieses Album überhaupt existiert, macht mich aber schon mehr als glücklich.
Cover & Tracklist
01 Wretched Soul
02 Tomorrow’s Sky
03 Divine Emotion
04 Hiding From Tomorrow
05 A Troubled Mind
06 My Only Escape
07 Years of Suspicion
08 Inquistion
09 Instinct
Digipak-Bonus:
10 I Ran (A Flock Of Seagulls cover)
11 Hiding From Tomorrow (Lustmord Remix)
12 Tomorrow’s Sky (GosT Remix)
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Bildnachweis: Nuclear Blast.
+ „Tomorrow's Sky" – Gewaltiger Ohrwurm
+ Starke Atmosphäre
+ Gewohnt tolle Melodien
- Hang zur Monotonie