Judas Priest – „Invincible Shield“ (VÖ: 08.03.2024)
Ganze sechs Jahre ist es mittlerweile her, dass Judas Priest mit „Firepower“ ein fulminantes, hochenergetisches Spätwerk ablieferten, dass ich guten Gewissens zu meinen allerliebsten Platten der Uralt-Metalgötter zähle. Nun ist mit dem knallbunt daherkommenden „Invincible Shield“ der heiß erwartete Nachfolger am Start. Wenig verwunderlich setzt die Band hier nicht auf große Experimente, sondern weiter auf das, was sie am besten können und auf den Weg, den sie auf dem Vorgänger so erfolgreich gegangen sind.
Dabei setzt man auf das gleiche Team, wenn auch Gitarrist Glenn Tipton krankheitsbedingt leider kürzertreten muss und nur noch auf wenigen Songs zu hören ist. Beim Schreibprozess ist er aber weiter voll involviert. Mehr denn je hat nun aber Jung-Gitarrist Richie Faulkner das Zepter in der Hand, der sich spätestens mit „Firepower“ als mehr als würdiger Priest-Axtmann erwiesen hat. Den mittlerweile scheinbar dauermeckernden K.K. Downing vermisst man auf „Invincible Shield“ zu keiner Sekunde.
Andy Sneap – seit 2018 Tour-Gitarrist als Ersatz für Tipton – kümmert sich wieder um die Produktion. Bin ich seinem glatten, oft gleich klingenden Sound bei Thrash-Metal-Produktionen mittlerweile eher überdrüssig, verpasst er den Metal Gods den perfekten klaren, kraftvollen Sound und holt nebenbei aus dem 72-jährigen Rob Halford gesanglich alles raus was geht. Das Ergebnis lässt einem doch sehr, sehr stark an der soeben genannten Zahl zweifeln. Wie künstlich nachgeholfen klingt da nichts. Das ist schlicht und einfach, nach wie vor einer der besten Metalsänger aller Zeiten.
Auch Scott Travis agiert hinterm Schlagzeug immer noch topfit. Mit seinem Einstieg zur legendären „Painkiller“-Scheibe verpasste er der Band seinerzeit einen gewaltigen Arschtritt und dieser währt bis heute. Basser und Gründungsmitglied Ian Hill ist… anwesend. Sein Bassspiel gehörte zugegeben noch nie unbedingt zu den großen, herausstechenden Qualitäten von Judas Priest. Er macht seinen Job und peppt den Sound auf. Passt.
Von Altersschwäche keine Spur
Die Voraussetzungen stimmen also, kommen wir zum wirklich Wichtigen: Was taugen die Songs denn nun? Fest steht, als Nachfolger zum mächtigen „Firepower“ hat es eine neue Platte automatisch nicht leicht. Seit sechs Jahren haben diese Songs nichts von ihrer Wucht, ihrer mitreißenden Epik und ihrem großen Hit-Faktor verloren. Was aber auch feststeht: Egal, ob die elf – mit Bonustracks sogar 14 – neuen Songs sich auf lange Sicht genauso beweisen können, eine hochqualitative Palette an neuen Stücken haben die Briten hier allemal abgeliefert.
Der Opener „Panic Attack“ legt dabei stark vor und leitet zunächst mit einem Intro aus Gitarrensynths und halligen 80’s-Drums ein, dass direkt an „Turbo“ denken lässt, ehe die Riffmaschine ordentlich zum Laufen gebracht wird. Die Gitarren verspüren von Anfang bis Ende Priest-Spirit pur, inklusive fantastischen Soli. Adjektive wie „abgedroschen“ und „einfallslos“ kommen dabei nie in den Sinn, so hochenergetisch und knallhart wie die Nummer aus den Boxen donnert, inklusive simplem, aber packenden Refrain.
„The Serpent and the King“ hält das hohe Tempo aufrecht und Halford lässt vermehrt die kratzigen hohen Register sprechen und macht dabei immer noch eine sehr gute Figur. Vor allem aber macht er die Nummer metal as fuck. Dass sich der Refrain erneut auf die Nennung des Songtitels beschränkt, stört dabei nicht weiter. Wenn’s gut klingt, klingt‘s gut. Lediglich „Devil in Disguise“ würde man da aber schon ein bisschen mehr Kreativität wünschen. Eine simple, lockere, aber auch nicht allzu spannende Midtempo-Nummer, die immerhin im Mittelteil mit toller Gitarrenarbeit auftrumpfen kann. Das anschließende, stilistisch ähnlich gelagerte „Gates of Hell“ lässt das Stück direkt danach ziemlich alt aussehen. Große Leads, ein wahrlich großer Refrain und großer Hymnen-Charakter.
Der Geist der 80er lebt
Als einziges etwas zurückgenommenes, vergleichsweise balladeskes Stück, hat „Crown of Horns“ die undankbare Aufgabe, sich gegen so manchen Übersong des Vorgängers entgegenstellen zu müssen. Allen voran das epische Highlight „Rising from Ruins“ muss da zwangsläufig herhalten, gegen dessen Strahlkraft die Nummer nur schwer anstinken kann. Halfords starke Gesangsleistung tut aber ihr übriges.
Im Anschluss macht sich die Scheibe aber nochmal zu großen Höhen auf und reiht mit „As God Is My Witness“, „Trial by Fire” und „Escape from Reality” einen powervollen Knaller an den Nächsten. „As God Is My Witness“ ist eine bärenstarke Speed-Metal-Granate mit packendem Refrain und – nicht, dass es daran mangeln würde – großartigem, shreddigen Gitarrensolo. Auch wenn Faulkner das Licht der Welt im selben Jahr erblickte wie die klassische „British Steel“-Scheibe atmet er den Geist der 80er zu 100% und klingt so, als wäre er schon immer dabei gewesen.
Den Rausschmeißer des regulären Albums macht das saucoole, hymnische „Giants in the Sky“, das sich vor den gefallenen Helden des Metals verbeugt und die Faust in Richtung ebendieser erstrecken lässt. Auf der Deluxe-CD finden sich noch drei weitere Tracks, die zwar merkbar nicht ganz mit den elf Stücken des Standard-Albums mithalten können, zumindest „Fight of Your Life“ und besonders „Vicious Circle“ machen aber durchaus Laune. Das abschließende „The Lodger“ stammt aus der Feder von Bob Halligan Jr., der in den 80ern bereits „(Take These) Chains“ und „Some Heads are Gonna Roll“ für die Truppe schrieb, hier aber keinen ganz so großen Volltreffer landet. Der Song ist bemüht episch, letztendlich aber vor allem äußerst repetitiv und kein so befriedigendes Finale wie „Giants in the Sky“.
Fazit
Betrachtet man die regulären elf Tracks ist „Invincible Shield“ eine wahrlich runde, kompakte Angelegenheit, auf der jeder Song große Qualitäten zeigt. „Devil in Disguise“ und „Sons of Thunder“ mögen zwar nicht besonders – nun ja – besonders sein, Spaß machen sie aber allemal. Mit genügend echten Hits kann die Scheibe aber auch aufwarten. „Panic Attack“, „Gates of Hell“, „As God Is My Witness“ oder „Trial by Fire“ sind allesamt bockstarke Songs mit jeder Menge Power und treibender Energie, die man von einer Band dieses Alters eigentlich gar nicht mehr erwarten kann. Wirkte eine Scheibe wie „Redeemer of Souls“ noch ziemlich müde und ideenlos, scheint die Band das Feuer wieder voll in sich zu haben. Rob Halford klingt durch die Bank großartig und Richie Faulkner erweist sich abermals als überragender Gitarrenheld, der das Griffbrett auf dem Album gewaltig zum Glühen bringt.
An die Klasse von „Firepower“ kann das Album meiner Meinung nach nicht ganz heranreichen, ein mehr als würdiger Nachfolger ist es aber dennoch und von einer Enttäuschung kann sowieso nicht die Rede sein. Von der gleichen Feuerkraft ist immer noch eine ganze, ganze Menge übrig und dass eine Band, die den Heavy Metal seit den 1970er Jahren maßgeblich beeinflusst immer noch so groß abliefert, ist wahrlich aller Ehren wert.
Cover & Tracklist
01 Panic Attack
02 The Serpent and the King
03 Invincible Shield
04 Devil in Disguise
05 Gates of Hell
06 Crown of Horns
07 As God Is My Witness
08 Trial by Fire
09 Escape from Reality
10 Sons of Thunder
11 Giants in the Sky
Bonustracks:
12 Fight of Your Life
13 Vicious Circle
14 The Lodger
Mehr Infos
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Bildnachweis: Columbia Records.
+ Rundum tolle Performances
+ Von Altersschwäche keine Spur
+ Starke Produktion
- Schwächelnde Bonustracks
- Moshcheck