Megadeth – „The Sick, The Dying… And The Dead!” (VÖ: 02.09.2022)
„Dystopia” war 2016 ein großes, wichtiges Album für die amerikanischen Thrash-Titanen und brachte ihnen sogar ihren ersten Grammy-Gewinn ein. Als Nachfolger des allseits unbeliebten „Super Collider“-Albums hatten Megadeth mit „Dystopia” bei vielen Fans einiges wiedergutzumachen, was sie durch wiedergefundene Härte, starkes Songwriting und durch die fantastische Gitarrenarbeit von Boss Dave Mustaine und Neuzugang Kiko Loureiro auch mit Bravour meisterten. „The Sick, The Dying… And The Dead!” hat nun satte sechs Jahre später die undankbare Aufgabe, an dieses amtliche Brett anzuknüpfen.
Dem vorangegangen ist zum einen Mustaines erfolgreich überwundene Krebserkrankung, aber auch einiger personeller Umschwung. Nachdem für die Aufnahmen von „Dystopia“ noch ex-Lamb of God-Schlagzeuger Chris Adler die Stöcke schwang, stieg später ex-Soilwork-Drummer Dirk Verbeuren ein. Bassist und Originalmitglied David Ellefson wurde nach einem unschönen Sex-Skandal und einem zuvor bereits „angespannten Verhältnis“ vor die Tür gesetzt, an seine Stelle trat letztendlich James LoMenzo, der bereits von 2006 bis 2010 an Bord war. Zuvor hatte man sich aber kurzerhand Steve DiGiorgio (Testament, Death, Sadus, …) geschnappt, um die Bassspuren für das Album neu einzuspielen.
Rasend schnelle Rückkehr
Mit der ersten Single „We’ll Be Back“ haute man dann einen richtigen Hammer raus, der die Band so rasend schnell thrashig präsentiert wie lange nicht mehr. Knallhartes Riffing, gefühlte 20 Gitarrensoli, schepperndes Drumming und ein grimmiger Mustaine. Megadeth in Bestform.
In „Night Stalkers“ geht es keinen Deut weniger ruppig zu. Nicht, dass sich Megadeth auf ihren letzten Alben dem Thrash komplett abgeschworen hätten, aber so ein Riff hätte man dann doch nicht mehr von ihnen erwartet. Wo war sowas eigentlich auf dem letzten Slayer-Album? Warum die Nummer unbedingt – für Megadeth ungewöhnlich lange – 6½ Minuten lang sein muss, erschließt sich mir allerdings nicht ganz. Ein bisschen Fett wegtrimmen und ein starker Song hätte noch besser sein können. So oder so ist es jedoch ein echtes Highlight im modernen Megadeth-Output.
Aufs und Abs
Der eröffnende Titeltrack lässt es da vergleichsweise etwas gemächlicher angehen. Abgesehen vom völlig unvermittelt eintretenden ruhigen Chorus, der sich auch nach dem zehnten Hören nie so ganz organisch einfügen möchte, ein wirklich eingängiger Song mit starkem Finale. „Dogs Of Chernobyl“ wirft zwar textlich Fragezeichen auf, überzeugt aber in jedem anderen Aspekt und ist ein atmosphärisch, musikalisch, auch gesanglich starker Song, gegen den das anschließende „Sacrifice“ sehr blass und wenig bemerkenswert wirkt.
„Junkie“ ist glücklicherweise bei weitem nicht so schlimm, wie es das isolierte Gesangs-Intro befürchten lässt (grausige Erinnerungen an „Of Mice And Men“ machen sich breit), so richtig überzeugen kann die Nummer aber auch nicht. Nette Megadeth-Stangenware, wie sie auch auf einem Album wie „Th1rt3en“ hätte zu hören sein können. „Killing Time“ schließt sich da als weiteres etwas unspektakuläres, aber sicherlich nicht schlechtes Stück an, überzeugt aber immerhin durch einen ordentlichen Chorus.
„Soldier On!“ kommt wieder deutlich mehr aus dem Quark und hat in Sachen Härte und Gitarrenarbeit einiges mehr zu bieten als die letzten Tracks. Als echtes Highlight und spaßiges Speed-Metal-Brett entpuppt sich das anschließende „Célebutante“.
„Mission To Mars“ geht ebenfalls in eine etwas spaßigere Richtung, bedient sich aber eher einem Hard-Rock-Sound, der stilistisch Erinnerungen an das höchst vergessenswerte „Super Collider“ weckt. Auf diesem Album hätte „Mission To Mars“ aber definitiv zu den besseren Songs gehört. Auf „The Sick, The Dying… And The Dead!” ist er zwar kein Highlight, aber immerhin eine nette Abwechslung. Eine ordentliche Catchiness kann man dem Song jedenfalls schwer absprechen. Mit „We’ll Be Back“ gibt es dann mit aller Härte den bestmöglichen Abschluss.
Fazit
Nach einem so starken Album wie „Dystopia“ lasteten hohe Erwartungen auf „The Sick, The Dying… And The Dead!”, die es die nur in Teilen erfüllen kann. Während Songs wie „We’ll Be Back“, „Night Stalkers“, „Dogs Of Chernobyl“ oder „Célebutante“ voll überzeugen können und durch tolle Gitarrenarbeit punkten, bleiben einige andere hinter den Erwartungen zurück und wirken wie relativ uninspirierte Standardware. Von „schlecht“ kann immerhin nie die Rede sein, an „Dystopia“ können jedoch nur die wenigsten Nummern heranreichen.
Während das Gitarrenspiel natürlich über jeden Zweifel erhaben ist, können Daves Vocals gelegentlich schon ein Störfaktor sein. Neben ein paar etwas ungelenken Gesangsmomenten, wirkt seine Stimme an manchen Stellen etwas drucklos, während seine Vocals in anderen Songs gut funktionieren.
Im Kern ist „The Sick, The Dying… And The Dead!” ein recht typisches modernes Megadeth-Album, das vor allem in seinen heftigen Momenten brillieren kann. Vergleiche zu großen Klassikern sollte man sich sparen. Denen kann das Album nicht gerecht werden.
Cover & Tracklist
01 The Sick, the Dying… and the Dead!
02 Life In Hell
03 Night Stalkers
04 Dogs of Chernobyl
05 Sacrifice
06 Junkie
07 Psychopathy
08 Killing Time
09 Soldier On!
10 Célebutante
11 Mission To Mars
12 We’ll Be Back
Mehr Infos
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Bildnachweis: Universal Records.
+ Tolle Gitarrenarbeit
+ Ein paar echte Thrash-Kracher
- Teils schwache Vocals
- Schwächelt in der Mitte
- Moshcheck