50 Jahre im Musikbusiness muss man erst einmal überleben. Und wenn dieses halbe Jahrhundert dann auch noch überaus erfolgreich verlaufen ist und man so viele Musikerkollegen geprägt und inspiriert hat wie Michael Schenker, dann darf man sich zum Jubiläum auch ruhig einmal selbst feiern. Und wenn man dies in Form eines Albums tut, darf dieses auch einen selbstbewusst gewählten Titel wie „Immortal“ tragen.
Unglücklich wäre es in einem solchen Fall jedoch, wenn man seinen vielen Fans rund um den Globus dann eine halbgare, enttäuschende Jubiläumsplatte vorsetzt. Aber hat Michael Schenker das mit „Immortal“, das unter dem Label seiner Michael Schenker Group erscheint, getan? Oder hat er sich selbst ein unzerstörbares Denkmal gesetzt?
A German Wunderkind
Im Rückblick wirkt es überaus beeindruckend, dass Michael Schenker erst zarte 16 Jahre alt war, als er für das Scorpions-Debüt „Lonesome Crow“ im Studio stand. Gerade eben volljährig zog das Gitarren-Wunderkind dann schon zu den Kollegen von UFO weiter, wo er direkt eine zentrale Rolle im Entstehungsprozess eines Klassikers des frühen Heavy Metal spielte: der Platte „Phenomenon“ (1974) mit dem legendären, unzählige Male gecoverten (u. a. von Iron Maiden) Hit „Doctor Doctor“.
Bereits als Teenager gehörte Schenker somit zu den ganz großen seiner Zunft. Spätestens ab 1980, mit der Gründung der Michael Schenker Group, konnte sich der Saiten-Virtuose dann in den verschiedensten musikalischen Konstellationen auf die Zementierung seines Legenden-Status konzentrieren. Keine Frage, dass zum runden Jubiläum zahlreiche namhafte Freunde und Wegbegleiter Schenkers Ruf folgten und sich mit ihm ins Studio stellten. Eine kleine Auswahl der Gaststars, die auf „Immortal“ zu hören sind? Bitteschön:
Ralf Scheepers (Primal Fear), Ronnie Romero (singt seit 2015 bei Rainbow), Robin McAuley (McAuley Schenker Group), Joe Lynn Turner (Deep Purple, Rainbow), Michael Boss (Mad Max), Barry Sparks (Dokken), Simon Philipps (TOTO) und Brian Tichy (Whitesnake).
Ein perfekter Einstieg
Und der Auftakt zur Jubiläumsplatte hätte diesem glanzvollen Heavy-Metal-Konglomerat nicht besser gelingen können! Das als erste Single ausgekoppelte „Drilled To Kill“ ist eine treibende und ins Ohr gehende Metal-Hymne, die von Schenkers Flying V, explosiven Drums und der unverkennbaren Stimme von Primal-Fear-Fronter Ralf Scheepers vorangepeitscht wird.
Bis zur Hälfte der Platte haben dann alle Tracks vor allem eins gemeinsam: Geile Hooks und Riffs, die man so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Nebenbei macht Michael Schenker immer wieder klar, wer der Hauptprotagonist auf „Immortal“ ist und reichert jeden Song mit mindestens einem virtuosen Solo an.
Die Highlights der ersten Plattenhälfte sind neben „Drilled To Kill“ dabei ganz klar das von Rainbow-Leadsänger Ronnie Romero hingeschmetterte „Knight Of The Dead“, das nicht nur durch dessen Stimme an Ritchie Blackmores legendäre Hard-Rock-Formation erinnert, sowie „Devil’s Daughter“. Darin entführt uns Schenker mit einer großen Melodie und euphorisierenden Gitarrenläufen in die Hoch-Zeiten seiner Solo-Karriere, die glorreichen 80er Jahre, ohne dabei jedoch zu sehr in den Pop-Metal-Sound dieser Zeit abzugleiten.
Die Heavy-Metal-Platte des Jahres? Leider nein.
Nach fünf erstklassigen Tracks könnte man meinen, hier einen frühen Kandidaten auf das Metal-Album des Jahres auf dem Plattenteller rotieren zu sehen. Doch leider ist „Immortal“ noch nicht vorbei. „Sail The Darkness“, „The Queen Of Thorns And Roses“, „Come On Over“ und „Sangria Morte” enttäuschen, kommen stellenweise erstaunlich schwachbrüstig und vor allem beliebig daher. Die starken Melodien sind Schenker zu diesem Zeitpunkt wohl schon ausgegangen und an seinen ausufernden Soli hat man sich ebenfalls satt gehört.
Bei „Sangria Morte“ geht der zu Beginn so gelungene Spagat zwischen eingängigen Hooks und schepperndem Heavy Metal dann sogar so daneben, dass wir eine fiese Schlager-Melodie ertragen müssen, die mit leicht anderer Instrumentierung jedes Dorfschützenfest-Zelt zum Schunkeln bringen würde.
Ein Feuerwerk zum großen Finale
Doch mit dem großen Finale bekommen Michael Schenker und Co. so gerade nochmal die Kurve. Zum Glück! Denn „In Search Of The Peace Of Mind“ ist der wichtigste Song der Jubiläumsplatte, schlägt er doch den Bogen zum Startpunkt von Schenkers 50-jähriger Karriere. Laut eigener Aussage war besagte Nummer nämlich das erste Musikstück, das Michael Schenker selbst komponiert hat. 1970, im zarten Alter von 15 Jahren in der Küche des Schenkerschen Familiendomizils. Als düsteres, stark vom Psychedelic-Rock der Zeit geprägtes Epos landete es 1972 auf „Lonesome Crow“.
Der Brückenschlag zwischen Start- und Endpunkt seiner ersten 50 Musikerjahre hätte Schenker nicht viel besser gelingen können. Er nimmt „In Search Of The Peace Of Mind“ das schwere, psychedelische Gewand des Originals ab und zieht ihm stattdessen die deutlich härtere, metallische Rüstung an, die beinahe alle Songs auf „Immortal“ prägt. Er verleiht dem Scorpions-Klassiker somit eine neue Dimension, passt ihn – auch durch eine perfekte Produktion – der aktuellen Zeit an, allerdings ohne dessen Epik schmälern.
Dafür sorgt auch das nach wie vor großartige Gitarrensolo, zu dem Schenker selbst sagt:
„Das Solo in diesem Stück ist so perfekt, da würde ich bis heute keine einzige Note ändern. Für mich ist es das wichtigste Stück der letzten 50 Jahre. Damit hat alles angefangen.“
Fazit
„Immortal“ ist ein starkes Album. Wären da nicht die vier Songs, die qualitativ leider ziemlich aus dem ansonsten großartigen Rahmen fallen, hätte Michael Schenker seiner langen Karriere tatsächlich ein würdiges Denkmal gesetzt. So bleibt leider noch ein bisschen Luft nach oben.
Tja, Micha. Da musst du vor deinem verdienten Ruhestand wohl nochmal ans Werk und dir dein dann wirklich perfektes Denkmal schmieden. Aber mit „erst“ 66 Jahren hast du dafür ja (hoffentlich) noch ein bisschen Zeit.
Cover & Tracklist
1. „Drilled To Kill“
2. „Don´t Die On Me Now“
3. „Knight Of The Dead“
4. „After The Rain“
5. „Devil’s Daughter“
6. „Sail The Darkness“
7. „The Queen Of Thorns And Roses“
8. „Come On Over“
9. „Sangria Morte“
10. „In Search Of The Peace Of Mind“
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Bildnachweis: Nuclear Blast.