Der Abend in der ausverkauften Essigfabrik in Köln mit einem fantastischen und abwechslungsreichen Line-Up begann für mich in zweifacher Hinsicht mit Nailed to Obscurity. Zunächst hatte ich die Gelegenheit, ein Interview mit Sänger Raimund Ennenga zu führen, das ihr demnächst hier bei Moshpit Passion lesen könnt. Und dann natürlich, da Nailed to Obscurity den Bandreigen eröffneten.
Nailed to Obscurity – Storm clouds gather on a moonlit night
In einer um 18.15 Uhr bereits gut gefüllten Halle kommen Nailed to Obscurity auf die in düsterem blauen Licht gehaltene Bühne. Da sie heute nur knapp 35 Minuten zur Verfügung haben, können sie nur fünf Songs spielen. Vier davon sind vom gerade erst erschienen Album „Black Frost”.
Mit ihrem doomig angereicherten melodischen Black Metal können sie das Publikum direkt in ihren Bann ziehen. Die Gitarristen Jan-Ole Lamberti und Volker Dieken schaffen mit den für Nailed to Obscurity typischen warmen Harmonien und komplexen Riffs einen atmosphärischen Klang, aus dem heraus sich sowohl an den Gitarren als auch im Gesang schöne Melodien entwickeln. Sänger Raimund Ennenga beeindruckt nicht nur mit seinem wandelbaren Klargesang, sondern auch mit voluminösen Growls.
Unterlegt wird das Ganze von abwechslungsreicher Rhythmusarbeit, die Jann Hillrichs (Drumms) und Carsten Schorn (Bass) abliefern.
Die insgesamt zurückhaltende und konzentrierte Stageperformance lässt eine Konzentration auf die Musik und die Lyrics zu, die durch die ausdrucksstarke Gestik und Körpersprache des Frontmannes unterstrichen wird.
Schade, dass sie nur fünf (dafür längere) Songs spielen können. Mir gefallen Klang und Atmosphäre gut, zumal die neuen Songs auf der Bühne schwerer klingen als auf dem Album. Das abschließende „Desolate Ruin” endet mit einem tollen Twinlead-Spiel, für das Raimund Ennenga den beiden Gitarristen die Bühne überlässt.
Mit deutlichem Applaus werden Nailed to Obscurity vom Publikum entlassen. Ich freue mich schon darauf, sie einmal mit einem längeren Set zu hören.
Jinjer – Energie und Charisma
Gewohnt energiereich stürmt Frontfrau Tatiana Shmaylyuk die Bühne und zeigt von Anfang an eine enorme Präsenz. In der manchmal auch groovenden Mischung aus Metalcore und Hardcore wechselt sie von einem beeindruckend klaren Gesang in tiefe Growls. Ihre Bühnenperformance ist eindrucksvoll und energiegeladen. Spätestens bei „I Speak Astronomy“ tobt die Halle. Auch bei den Songs von der neuen EP „Micro” zeigt sich das Publikum textsicher und schreit begeistert mit. Temporeiche Riffs von Gitarrist Roman Ibramkhalilov werden von Vlad Ulasevichs präzisem, nach vorne knüppelndem Drumming unterstützt, während Bassist Eugene Abdiukhanov für die Djentelemente und den Groove zuständig ist.
Das Set ist voller Energie und Emotionen und die Band wird ordentlich abgefeiert. Das Publikum steigert sich zunehmend in die Songs hinein und gibt beim abschließenden „Sit Stay Roll Over” noch einmal alles.
Soilwork – Facettenreicher Melodic Death Metal
Soilwork bestehen schon länger als 20 Jahre und haben ihrer Albumliste gerade erst „Verkligheten“ hinzugefügt, so dass ich gespannt darauf war, wie sie ihre Setlist zusammengestellt haben.
Doch bevor Soilwork die Bühne betreten wird auf dieser erst einmal Platz geschaffen, den die Jungs um Frontmann Björn Strid anfangs auch bewegungsreich nutzen. Die 16 ausgewählten Songs verschaffen einen guten Eindruck über das, was Soilwork bisher gemacht haben.
Und egal, welchen Song sie spielen: das Publikum singt und headbangt, was das Zeug hält. Ist aber auch kein Wunder, denn dieser Death ‚N‘ Roll mit seinen Wurzeln irgendwo im Metalcore bietet sowohl fette als auch ganz melodische Riffs, wuchtige Klänge und schöne Melodien.
Das Publikum scheint die Klassiker „Bastard Chain” und „The Living Infinite II” besonders zu lieben. Da ist ordentlich Bewegung in der Menge. Aber auch die neuen Songs „Full Moon Shoals” und „Stålfågel” kommen gut an und werden bereits mitgesungen, obwohl das Album erst seit ein paar Tagen in den Läden ist.
Das Set, an dem eigentlich nichts auszusetzen ist, endet mit „Stabbing The Drama” und einer noch mal richtig aufdrehenden Menge.
Amorphis – the keeper of fleeting moments
Für Amorphis wurde der Bühnenbereich mit riesigen Bannern und Podestverkleidungen geschmückt, die das Artwork des neuesten Albums wirkungsvoll präsentierten.
Amorphis haben – wie war es auch anders zu erwarten – das Publikum voll im Griff. Sie beginnen ihr Set mit zwei Songs vom neuesten Album. Gut zusammengestellt folgen ältere Songs, die vom Publikum wie Hymnen gefeiert und mitgesungen werden, auf Songs vom 2018er Album „Queen Of Time”. Auch bei den neuen Songs merkt man, dass die ausgewiesenen Amorphis-Fans sie inzwischen verinnerlicht haben.
Gerne lasse auch ich mich mitnehmen in eine klangliche Parallelwelt, in der es zugleich mächtig als auch detailverliebt zugeht. Dahin leitet mich nicht nur die fantastische Stimme von Tomi Joutsen mit seinen brachialen und tiefgründigen Growls, sondern auch die kraftvoll groovenden Drumparts von Jan Rechberger. Unterstützt wird er dabei von Olli-Pekka Lainen am Bass. Auf dieser Basis können die Gitarristen Esa Holopainen und Tomi Koivusaari ebenso Melodien und gut abgestimmte Riffs aufbauen, die Keyboarder Santeri Kallio lächelnd mit seinen Klängen umschmeichelt.
Von Song zu Song scheint das Publikum die Musik mehr zu genießen und sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen. Man merkt wieder einmal, was für eine fabelhafte Liveband Amorphis sind.
Kein Wunder, dass Zugaben gefordert und gegeben werden. Mit „Death Of King” und „House of Sleep” endet ein Konzertabend, der noch länger positiv nachwirken wird.
Bildnachweis: Antigone, Antigone@moshpitpassion.