Rage – „A New World Rising“ (VÖ: 26.09.2025)
Rage zwischen Tradition und Moderne
Mit „A New World Rising“ melden sich Rage zurück – und liefern ein Album ab, das einerseits voll auf ihre bekannten Trademarks setzt und andererseits spürbar moderner daherkommt. Klassische Rage-DNA trifft hier auf frische Einflüsse, die der Band hörbar gut tun. Zwei Jahre nach dem eher düsteren „Afterlifelines“ klingt das Trio um Peavy Wagner, Jean Bormann und Vassilios „Lucky“ Maniatopoulos direkter, positiver und vor allem hungrig – ohne Orchester, was ich in diesem Kontext ausdrücklich positiv finde.
Das Intro „A New World Rising“ ist ein kurzer instrumentaler Auftakt mit Samples und Atmosphäre – nichts Weltbewegendes, aber ein ordentlicher Start.
Richtig los geht es mit „Innovation“, und da fühlt sich jeder Fan sofort zuhause: ein Stück, das auch in den 90ern funktioniert hätte und vom ersten Ton an klar macht, dass das hier Rage ist. Schon mit „Against The Machine“ und „Freedom“ schlägt das Album dann eine modernere Richtung ein. Riffs und Grooves klingen frischer, stellenweise mit einem Hauch Metalcore. Ich vermute, dass der junge Gitarrist Jean Bormann hier viele eigene Einflüsse einbringt – während Peavy wie der Papa die Hand über alles hält und darauf achtet, dass es am Ende immer noch nach Rage klingt. Genau dieses Zusammenspiel macht den Reiz aus: Moderne ja, aber mit großem Wiedererkennungswert.
Breakdown-Momente & Metalcore-Vibes
„We’ll Find A Way“ bleibt näher an der klassischen Linie, bevor „Cross The Line“ gnadenlos den Teppich unter den Füßen wegzieht: ein brutales Breakdown, das auch einer Core-Band stehen würde, und Peavy growlt dazu so tief, dass der Traditionalist erstmal verdutzt in sein Bierglas schaut. Und wenn dieses Breakdown am Ende noch einmal in Halftime wiederholt wird, fliegt das Glas endgültig aus der Hand. Rage haben selten so kompromisslos modern geklungen, ohne sich selbst zu verlieren. „Leave Behind“ drosselt die Geschwindigkeit, aber nicht die Wucht: Das Eröffnungsriff schreit Parkway Drive. Wer da keinen Metalcore hört, dem kann ich nicht helfen. Und wenn ausgerechnet die Core-Hasser den Song plötzlich feiern, darf kurz gelacht werden.
Abwechslungsreich geht es mit den Songs „Next Generation“, „Fire In Your Eyes“, „Paradigm Change“, „Fear Out Of Time“ und „Behind The Shield Of Misery“ weiter, die immer wieder zeigen, wie viele verschiedene Einflüsse Rage heutzutage verarbeiten, ohne dabei ihre Identität zu verlieren.
„Straight To Hell ’25“ wirkt am Ende wie eine Beigabe – und genau das ist es auch. Die Neuauflage eines Songs, dessen Original damals auf dem Soundtrack zu Der Schuh des Manitu zu hören war, taucht diesmal in Das Kanu des Manitu auf. Kann man machen, muss man aber nicht – und ich nehme ihn nicht in die Gesamtwertung auf.
Kritik am Artwork
Ein echter Wermutstropfen bleibt für mich das Cover. Viele Elemente wirken steril und generisch, fast wie von einer KI zusammengesetzt. Das Motiv an sich ist okay, aber die handgemachte Lebendigkeit fehlt. Gerade für eine Band wie Rage hätte ich mir hier ein stärkeres, charaktervolleres Artwork gewünscht.
Die Kritik an KI-Covern ist dabei nichts Neues. Auch Bands wie Grave Digger haben dafür zuletzt ordentlich ihr Fett wegbekommen. Bei kleinen, unbekannten Bands ohne Budget mag man das noch nachvollziehen und tolerieren. Aber wenn eine Band seit über 40 Jahren erfolgreich in der Szene unterwegs ist, sollte es eigentlich kein Problem sein, einen erfahrenen Grafikprofi zu engagieren – jemanden, der ein Artwork schafft, das Charakter und Seele hat, statt einer sterilen KI-Collage.
Ob nun im Falle von Rage tatsächlich KI im Spiel war, kann ich nicht abschließend bestätigen. Der Verdacht liegt aber nahe, dass zumindest Teile des Covers generiert wurden.
Fazit
Unterm Strich bleibt: Rage waren nie eine Band, die stehengeblieben ist. Während andere wie AC/DC oder Motörhead in der Vergangenheit bewusst an ihrem Rezept festhielten, wird hier ausprobiert, weiterentwickelt, modernisiert – ohne den eigenen Kern zu verlieren. Für mich schließt sich damit ein Kreis: Die Smolski-Phase war mir zu verfrickelt, Afterlifelines zu düster. „A New World Rising“ klingt direkter, positiver und zugleich moderner als vieles der letzten Jahre.
Musikalisch gibt’s einen klaren Daumen hoch. Live in der aktuellen Dreierbesetzung sind Rage ohnehin eine Bank. Und ich bin wirklich gespannt, wie die Old-School-Fraktion dieses Album aufnimmt. Genau die Leute, die bei Bands wie Parkway Drive regelmäßig das Kotzen kriegen und behaupten, „das ist kein Metal“. Während Parkway Drive mittlerweile die größten Festivals headlinen, akzeptieren die Traditionalisten das nicht. Kommt aber ein Album wie „A New World Rising“, das viele ähnliche Stilelemente nutzt, heißt es plötzlich: „Das ist Old School, das ist Rage, das ist geil.“ Genau diese Diskrepanz finde ich spannend – und sie zeigt, wie sehr Rage es schaffen, Brücken zwischen den Welten zu schlagen.
Tracklist
- „A New World Rising“ – 1:20
- „Innovation“ – 3:17
- „Against The Machine“ – 4:11
- „Freedom“ – 3:11
- „We’ll Find A Way“ – 3:49
- „Cross The Line“ – 4:04
- „Next Generation“ – 3:38
- „Fire In Your Eyes“ – 3:28
- „Leave Behind“ – 4:12
- „Paradigm Change“ – 3:28
- „Fear Out Of Time“ – 5:17
- „Behind The Shield Of Misery“ – 3:50
- „Straight To Hell ’25“ – 3:29
Weitere Infos: Rage Official Website | Steamhammer/SPV
Bildnachweis: Steamhammer / SPV.
Wertung
+ Direkter, positiver und hungriger Sound
+ Klassische Rage-DNA trifft auf moderne Einflüsse
+ Brutales Breakdown in „Cross The Line“ – inklusive Halftime-Überraschung
+ „Leave Behind“ mit Parkway-Drive-Vibes, mutig und frisch
+ Live in der Dreierbesetzung extrem stark
+ Old-School-Fans könnten sich an den Metalcore-Einflüssen stoßen
– Cover wirkt steril, generisch und nach KI
– „Straight To Hell ’25“ eher nette Beigabe, kein Must-Have
– Old-School-Fans könnten sich an den Metalcore-Einflüssen stoßen
- Wertung