SAY YES TO LIFE METAL
O))), boy. Es kann kein Zufall sein, dass mein ehemaliger Kommilitone, Mitschreiberling und Moshpit Passion-Gründer KJO mir die neue Sunn O))) anvertraut hat. In so ziemlich jeder Unterhaltung, in der es um Musik im Allgemeinen und Drone im Besonderen geht, fällt der Name der US-Formation in den ersten 20 Sekunden als eines der besten Beispiele für qualitativ hochwertigen Drone Doom. Sei es etwa, um das besagte Genre (mit dem es meiner Meinung nach rein technisch möglich wäre, Mauern zum Einsurz zu bringen – take that, Hasselhoff) zu zelebrieren, oder um Neulingen und Interessenten einen guten Einstieg in diesen musikalischen Schlund zu ermöglichen.
Selbstverständlich spielt es keine Rolle, ob man die vorangegangenen Werke der unheilbringenden Westküsten-Mönchskuttenträger bereits kennt oder sich einfach ganz spontan und unvorbelastet ein Ticket nach Dröhnland ziehen möchte. Es erscheint mit dem brandneuen Presswerk der Drone-Könige trotzdem nur logisch, nichts geringeres als heftige Klanggewitter zu erwarten.
Vier Jahre nach dem letzten, durchweg soliden Release namens „Kannon“ liegt die „Life Metal“ getaufte Platte also nun im Spieler und verspricht neben dem Kern der Band – Stephen O’Malley und Greg Anderson – Beisteuerungen diverser großartiger Gastmusiker, darunter Tim Midyett und Hildur Guðnadóttir. Man darf gespannt sein und fragt sich: Was kann die neue Scheibe? Und kann sie an Erfolge wie der beinahe albtraumhaft-gigantischen „Black One“ oder fast perfekten „Monoliths and Dimensions“ anknüpfen?
DIESE SCHALLMAUERN BRECHEN DICH
„Between Sleipnir’s Breaths“ eröffnet das Album mit dem Wiehern eines Pferdes, was so unheilvoll klingt, dass man vor seinem geistigen Auge direkt das namensgebende, vielbeinige Schlachtross aus der nordischen Mythologie auszumachen meint und nach Einsetzen der Instrumente damit rechnet, vom selbigen niedergetrampelt zu werden. Endlose Klangwände von bis zum Nullpunkt gestimmten Gitarren drücken den Hörer zu Boden, als wäre alle Gravitation im Universum auf den eigenen Schädel konzentriert. Nach allerspätestens drei Minuten ist man hilflos gefangen, während dieser kompromisslose, musikalische Gang zum Beil mit dem hypnotischen, unaufdringlichen, ja, beinahe zaghaften Gesang der isländischen Komponistin Hildur Guðnadóttir untermalt wird. Insgesamt präsentiert der Opener die bewährte haarsträubende Klaustrophobie der Band. Guðnadóttirs stimmlicher Einsatz und leichte orchestrale Anleihen verleihen dem ganzen jedoch zusätzlich eine fast feierliche Erhabenheit, bei der einem die Spucke wegbleibt.
Nach 12 Minuten und 39 Sekunden möchte man das eben Erlebte aus reiner Ehrfurcht am liebsten erst einmal verdauen, aber Sunn O))) waren nie dafür bekannt, ihre Hörerschaft ruhen zu lassen. Wie eine tosende Welle rollt das zweite Lied „Troubled Air“ heran und macht unverschämterweise auf genau demselben professionellen Level weiter; hier werden keine Schallmauern gebrochen, nein, sie brechen dich. Als Additivum zum Riff-Bollwerk gesellt sich einmal mehr Frau Guðnadóttir hinzu und komplettiert das beinahe nervenzerreißende Spiel mit ihrem E-Cello und Haldorophon. Abgerundet wird alles bis zum unglaublich zerschmetternden Finale von Anthony Pateras‚ Einsatz einer Pfeifenorgel, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Den dritten Eintrag, „Aurora“, könnte man nach all der kompositorischen Finesse der ersten Hälfte an einem miesen Tag vielleicht eine Verschnaufpause des Albums nennen. So ist das Stück technisch formvollendet, brutal, urgewaltig, aber auch etwas eingängig und plan, wenn man das Album eben komplett durchhört* (*Serviervorschlag). Trotzdem sucht man vergebens nach einem eindeutigen Wermutstropfen, der einen Punkteabzug zur Folge hätte.
„Novae“ ist das Abschlussstück der Platte. Und wer dachte, dass mit dem fulminanten Einstieg „Between Sleipnir’s Breaths“, dem Filetstück „Troubled Air“ und dem unkomplizierten „Aurora“ sämtliche Munition von der Gruppe verschossen wurde, wird hier knallhart Lügen gestraft: „Novae“ ist ein bitterböses Schlusskapitel, ein verdammtes 25-minütiges Monstrum. Die vernichtenden Schallwellen von Sunn O))) gehen einmal mehr einen verhängnisvollen Pakt mit Hildurs Cello ein und so streben sie allesamt unaufhaltsam und stetig auf ein nagendes, beinahe wimmerndes Ende zu… nur um drei Minuten vor Schluss noch einmal ordentlich auf’s Gaspedal zu drücken und uns den Rest zu geben. Was für ein Finale!
DIE SOUNDGEWORDENE SINTFLUT
Vier Tracks und knappe 69 Minuten später ist jeglicher Zweifel hinweggefegt: Sunn O))) verzerren seit jeher nicht nur Instrumente, sondern berauben auch Raum und Zeit mit ihrem berühmt-berüchtigten, knochenzermahlenden Sound jeglicher Daseinsberechtigung und setzen dies mit Studioalbum numero otto höchst erfolgreich fort. „Life Metal“ ist eine soundgewordene Sintflut biblischen Ausmaßes; ein brachiales wie durchdachtes Werk, das mit wundervollen Arrangements talentierter Gastmusiker ergänzt wird. Zur tadellosen Produktion gesellt sich auch das eindrucksvolle Artwork und trägt zum stimmigen Gesamtbild bei. Das Resultat sind Sunn O))) in Bestform, destilliert in vier bestialischen Tracks, die vom Trommelfell über Mark und Bein bis in die Nervenbahnen ziehen. Absoluter Pflichtkauf für Fans und eine Empfehlung für alle experimentierfreudigen Hörer. Alles andere wäre kriminell.
Zu guter Letzt noch ein paar Fun Facts und ein Bonbon: Das Recording und Mixing übernahm der hochkarätige Produzent Steve Albini, welcher auch schon innerhalb seiner Band Shellac mit Sunn O))) auf Tour war. Beides geschah ausschließlich über analoges Equipment. Zudem betrug die Zeit der Studioaufnahme für „Life Metal“ durch das ausgearbeitete Konzept läppische zwei Wochen – und umfasst das Nachfolgewerk „Pyroclasts“, welches im Herbst 2019 erscheinen soll. Nachschub für alle Drone-Jünger ist also bereits unterwegs.
COVER-ARTWORK & TRACKLIST
01 – Between Sleipnir’s Breaths | 12:39
02 – Troubled Air | 11:45
03 – Aurora | 19:07
04 – Novae | 25:24
Total: 01:08:56
SUNN O))) | LIFE METAL (PREVIEW)
Bildnachweis: Ronald Dick, Sunn O))), Southern Lord, Sun O))), Southern Lord.