Long Distance Calling – Auf dem Dongberg – Live in der Moshbox!
Vor nicht einmal einem dreiviertel Jahr hätte wohl niemand von uns gedacht, dass Livekonzerte eines Tages rares Gut sein würden. Doch wie es der Zufall will, legte ein kleiner Virus von einem Tag auf den anderen eine ganze Welt lahm. Große Ausführungen hierzu kann ich mir getrost sparen. Wir wissen ja alle, was momentan los ist.
Für den 31.7.2020 hatte sich das etablierte Dong Open Air allerdings etwas besonderes überlegt. Das eigentliche Dong Open Air musste abgesagt werden und so kamen die Jungs auf die Idee, mehrere kleine Konzerte auf der Halde Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn zu veranstalten.
Die Rahmenbedingungen waren klar. Maximal 250 Zuschauer. Mindestabstand. Flaschenbier welches selbst geöffnet werden musste. Adresslisten fürs Gesundheitsamt. Das Bekannte also.
Lange überlegt haben wir deshalb nicht, als der Termin in den sozialen Medien auftauchte. Karten bestellt und ab dafür.
Das Ding mit dem Dong: Stairway to Heaven oder Kraxelhubers Abenteuer
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Das hat mir meine Omma als Kind schon immer gepredigt. Und so durften wir vor dem Genuß der Livemusik erst einmal den Dongberg besteigen. Die vorhandene, steile Treppe ließen wir links liegen und wählten den etwas weiteren Naturweg, um auf den Gipfel der alten Abbauhalde zu gelangen. Aber auch das war bei 35°C kein großes Vergnügen. Oben angekommen versorgten wir uns deshalb umgehend am bereits geöffneten Bierwagen.
Isaac Vacuum
Überpünktlich starteten dann die lokalen Opener „Isaac Vacuum“ aus Krefeld.
Diese wussten von der ersten Sekunde an zu überzeugen. Mit ihrem nicht ganz einfach zu definierenden Stil irgendwo zwischen Progressive Rock, Post Rock, Stoner und Sludge baute die Band einen emotionalen Spannungsbogen auf, der sich schwer in Worte fassen lässt. Dieser funktionierte überraschenderweise auch bei strahlendem Sonnenschein hervorragend. Ein absoluter Hingucker auf der Bühne ist der Touch Guitar Spieler Stefan Huth. Die Touch Guitar ist ein 8-saitiges Instrument irgendwo zwischen Bass und Gitarre, welches er hauptsächlich mit Fingerstyletechniken und Tapping bediente und dadurch ganz eigene Klänge in den Gesamtsound integrierte. Oder besser gesagt, komplette Klangwelten alleine kreierte.
Definitiv ein passender Opener für diesen Abend.
Long Distance Calling
Nach kurzem Umbau ging es dann nahtlos weiter mit dem Hauptact des Abends: Long Distance Calling. Bereits seit 2006 begeistern die Münsteraner ihre Anhänger mit (größtenteils) instrumentalem Post Rock.
Eigentlich standen die Zeichen auf Sturm, das Ende Juni erschienene, neue Album „How Do We Want To Live?“ markierte den höchsten Charteinstieg (Platz 7) der Bandgeschichte. Eine umfangreiche Tour war geplant, aber alles musste verschoben werden. Dementsprechend neugierig war wohl auch die Band selber, wie sie vorher im Smalltalk durchblicken ließen, wie das neue Material vom Publikum aufgenommen werden würde.
Die Setliste hatte ihren Schwerpunkt natürlich auf dem aktuellen Album. Abseits dessen wurde ein gelungener Querschnitt durch die Bandkarriere geboten.
Der Sound war bei beiden Bands hervorragend und aufgrund der familiären Größe entstand eine unglaubliche Atmosphäre, die ich auf einem Konzert in dieser Art lange nicht mehr erlebt habe. Band und Publikum wurden spätestens bei der einsetzenden Dämmerung eine Einheit. Selten passte Musik so gut zu den äußerlichen Gegebenheiten, was selbst die Musiker auf der Bühne zu einigen erstaunten Blicken verleitete. Die Menschen auf dem Rand der Halde verwandelten sich bei untergehender Sonne zu Silhouetten.
Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, aber in Punkto Stimmung und Atmosphäre habe ich lange nichts vergleichbares erlebt. Die Bands passten beide brilliant zum Anlass, der Sound war top. Sympathische, dankbare Musiker und ein noch dankbareres Publikum machten diesen Abend zu etwas besonderem. Man spürte an jeder Ecke die unbändige Sehnsucht nach Livemusik. Und so waren auch nach Konzertende überall Kleingruppen, die sich angeregt über das Erlebte unterhielten. Auch die Musiker hatten sich vor oder neben die Bühne gesellt und standen für Smalltalk zur Verfügung.
Besser kann man die aktuelle Situation nicht nutzen. Zum Abschluss noch ein (Handy)-Foto, das für mich die Stimmung sehr gut abbildet.
Setlist Long Distance Calling
Curiosity, Pt. 1
Curiosity, Pt. 2
In the Clouds
Black Paper Planes
Voices
Immunity
Sundown Highway
Sharing Thoughts
Out There
Arecibo (Long Distance Calling)
Ashes
Metulsky Curse Revisited
Schaut Euch auch das offizielle Aftermovie an:
Bildnachweis: Frank Stellmacher.