Sodom – Genesis XIX (VÖ: 27.11.2020)
Als sich das Besetzungskarussell vor knapp 3 Jahren nach langer Zeit im Hause SODOM noch einmal massiv drehte, waren viele Leute überrascht. Zu beständig war die 3er Besetzung mit Bernemann und Bobby bzw. Makka. Von einer 4er Besetzung mit 2 Gitarren war plötzlich die Rede und in den sozialen Medien ging ein Aufschrei durch die Runde. „Das ist doch nicht mehr Sodom“ hörte man sehr oft. Die Rückkehr von Frank Blackfire sorgte einerseits für erstaunte Blicke, als auch für reihenweise Unverständnis, wie man „denn so was machen könne“.
Um ehrlich zu sein, waren mir die ganzen Kommentare völlig egal. Als großer Fan der Blackfire-Ära war ich gespannt auf das, was kommen würde. Die beiden veröffentlichten EPs „Partisan“ und „Out of the Frontline Trench“ deuteten die Marschrichtung für die sodom’sche Zukunft bereits an, konnten mich letztlich allerdings nicht in Gänze überzeugen. Somit war auch die Ankündigung von „Genesis XIX“ für mich erstmal ein wenig mit Skepsis besetzt.
Hier kann man sich das neue Album auf CD – Hier als LP und Hier als limitierte Box holen.
Back to the Future
Vorurteilsfrei versuchte ich mich also am ersten Durchlauf der Promo zu „Genesis XIX“. Nach 55 Minuten bekam ich meinen Mund nicht mehr zu. Was war das?
Aber von vorn…
Mit dem instrumentalen Intro „Blind Superstition“ geht’s los. Es handelt sich hierbei um eine Neueinspielung des Tour-Intros zur „Persecution Mania“-Tour und gibt die Marschrichtung für das Album perfekt vor. Nahtlos geht es weiter zur ersten Single „Sodom & Gomorrah“, welches einen durch die Handschrift von Blackfire unmittelbar in die „Agent Orange“-Phase zurück beamt. Die Frage, warum dieser Songtitel erst im Jahre 2020 von SODOM benutzt wird, ist angemessen und dürfte von jedem SODOM Fan gestellt worden sein. Das folgende „Euthanasia“ verstärkt den Eindruck noch weiter und erinnert mich an die „Persecution Mania“-Phase der Band um Tom Angelripper.
So geht es fröhlich weiter. Durch den Einfluss des wesentlich jüngeren zweiten Gitarristen Yorck verkommt das Album aber keinesfalls zur Retroshow. Yorck versteht es, sich gekonnt mit frischen Ideen in den Bandsound einzufügen. Und das so intelligent, dass es dennoch 100% nach SODOM klingt. Der neue Drummer Toni Merkel sorgt mit Blastbeats wie bei „Nicht mehr mein Land“ auch mal für ein lautes „OHA“ bei der Hörergemeinde und erinnert generell mehr als einmal an das (sehr eigene) Drumming von Chris Witchhunter (R.I.P), was nach seiner Äußerung auch unbedingt gewollt war.
Ein weiteres Highlight stellt das sieben Minuten lange „The Harponeer“ dar, ein abwechslungsreicher Song, welcher sich thematisch mit Captain Ahab und Moby Dick auseinandersetzt. Es ist also nicht als Fortführung von „Silence is Consent“ zu verstehen.
Es fällt mir schwer, besondere Songs hervorzuheben, da die Qualität durchweg schwindelerregend hoch ist. Als weitere Anspieltipps würde ich Glock’n’Roll, Waldo & Pigpen und Friendly Fire in die Verlosung werfen.
Produktion und Artwork – Sodom – Genesis XIX
Produziert wurde das Album größtenteils von der Band selbst und von Siggi Bemm im renommierten Woodhouse Studio in Hagen. Der Grundgedanke alles analog aufzunehmen tut dem Album sehr gut. Besonders die Drums klingen so authentisch, wie man es sich im Thrash Metal nur wünschen kann und insgesamt klingt der Mix organisch und lebendig. Gemastered wurde das Album von Patrick W. Engel, der sich in der Vergangenheit einen Namen mit Remasters von Klassikeralben gemacht hat.
Das tolle Artwork stammt von Joe Petagno und stellt erneut den Knarrenheinz in den Mittelpunkt.
Fazit
Ich konnte und kann es immer noch nicht glauben, was SODOM hier für eine Bestie auf die Menschheit losgelassen haben. Ohne die Arbeit von Bernemann und Co. auch nur im geringsten schlecht zu reden, gehe ich so weit und behaupte, dass „Genesis XIX“ das stärkste Album seit „Agent Orange“ geworden ist. Hier stimmt einfach alles. Die Boshaftigkeit eines Tom Angelrippers war lange nicht mehr so auf den Punkt gebracht wie heute. Ausfälle auf dem Album? Fehlanzeige! Hier tropfen Schweiß und Herzblut aus jeder Note. SODOM sind so stark wie lange nicht mehr und zeigen allen Nachahmern wieder einmal, wer die dickeren Klöten hat. Sollte da dieses Jahr nicht noch ein richtiger Klopper kommen, steht mein Album des Jahres fest. Anders gesagt, hätten wir eine Punktvergabe bei Moshpit Passion, wäre „Genesis XIX“ im Bereich der 9,5 / 10.
Cover und Tracklist
1. Blind Superstition 1:02
2. Sodom & Gomorrah 4:06
3. Euthanasia 3:54
4. Genesis XIX 7:09
5. Nicht mehr mein Land 4:29
6. Glock ’n‘ Roll 5:02
7. The Harpooneer 7:10
8. Dehumanized 3:53
9. Occult Perpetrator 4:53
10. Waldo & Pigpen 6:25
11. Indoctrination 3:10
12. Friendly Fire 3:36
Gesamtspielzeit: 54:49
Bildnachweis: SPV Steamhammer.