Paradox – „Mysterium“ (VÖ: 26.09.2025)
Paradox stachen im deutschen Thrash Metal stets als eine Band hervor, die wesentlich melodischer, anspruchsvoller und „amerikanischer“ daherkam als der Großteil der anderen Teutonen-Thrasher. So erinnert der Sound der Würzburger weitaus mehr an Bands wie Metallica, Testament oder etwa Annihilator und hebt sich im Riffing, Songwriting und allein schon durch Charly Steinhauers melodischem Gesangsstil von Truppen wie Kreator, Sodom, Holy Moses oder Exumer ab. Im Jahr 2025 und mit Album Nr. 9 hat sich dabei nicht viel geändert, außer dass die Bezeichnung „Band“ nicht mehr so ganz zutreffend ist. Frontmann und Saitenhexer Charly hat „Mysterium“ nämlich komplett in Eigenregie aufgenommen und alle Instrumente selbst übernommen.
Da Charly, auch angesichts zahlreicher Besetzungswechsel, stets der musikalische Kopf von Paradox war, ändert sich am Sound aber erwartungsgemäß wenig. „Mysterium“ ist 100% Paradox. Lediglich im Falle der – bereits hitzig diskutierten – programmierten Drums macht sich der Alleingang Steinhauers bemerkbar. Diese sollen an dieser Stelle gar nicht mehr Platz als nötig einnehmen, nur so viel: Dass „Mysterium“ laut Charly mit einem echten Drummer kein bisschen besser geklungen hätte, möchte ich doch klar infrage stellen, da der Drum-Sound hier doch schon sehr steril und – naja, leblos wirken kann. Dass die Drum-Arrangements mit Unterstützung des leider 2023 verstorbenen Original-Schlagzeugers Axel Blaha entstanden, stimmt die ganze Sache dann wiederum versöhnlicher. Und dass die Art und Weise, wie ein Song aufgenommen wurde letztendlich zweitrangig ist und vor allem zählt, ob er denn gut oder schlecht ist, damit hat Charly grundsätzlich recht. Der Punkt ist, und damit sei dieses Thema dann auch erledigt: Die kompositorische Klasse von „Mysterium“ spricht für sich.
Auch als Einmann-Armee eine Macht
Allein schon der Opener „Kholat“ ist ein amtliches Brett mit messerscharfem Thrash-Riffing, einer passend mysteriösen Stimmung und packendem Songwriting. Die Laufzeit von sechs Minuten vergeht dabei wie im Flug. Ebenso im noch längeren zweiten Stück „Abyss of Pain and Fear“, das dazu mit seinem melodischen Refrain überzeugt. Gesanglich ist sich Charly seit den 80ern treu geblieben und er versorgt seine präzisen Riff-Attacken mit jeder Menge stimmlicher Power und Melodie. Dass seine Vocals eigentlich durchgehend mehrstimmig erklingen, könnte eventueller Störfaktor für manche sein, passt für meine Ohren aber perfekt ins Gesamtbild und unterstreicht die Sorgfalt und den Detailreichtum und Perfektionismus, den Charly bei der Albumproduktion an den Tag gelegt hat. Man bekommt das Gefühl, alles hier sei zu 100% exakt so, wie der 62-jährige es vorgesehen hatte.
Die Abwesenheit Christian Münzners als Leadgitarrist fällt kaum ins Gewicht, schließlich muss sich Charly nicht nur als Riffschreiber, sondern auch als Solist hinter niemandem verstecken und lässt einige erstklassige, wilde Soli vom Stapel. Sicherlich hätte ein Münzner noch mehr Varianz und Virtuosität reinbringen können, die Songs auf „Mysterium“ kommen aber auch prima ohne ihn aus.
„Those Who Resist“ ist thrashiger Vollabriss, der einem einige knallharte Riffs entgegendonnert. „Pile of Shame“ lässt es im Gegensatz zu den meisten Nummern etwas langsamer angehen und geht mit einem eingängigen Groove gut nach vorne. Der starke Titeltrack bleibt vor allem durch seinen stimmungsvollen, schwermütigen Refrain im Ohr und gehört zu den großen Highlights auf „Mysterium“. Das folgende, grundsolide „The Demon God“ kann da für mich nicht ganz heranreichen – unterscheidet er sich doch nicht allzu stark von anderen Uptempo-Songs der Scheibe. Da hätte der Titelsong als Abschluss sicherlich noch etwas mehr Eindruck hinterlassen.
Fazit
Paradox gehört ganz klar zu den schmerzlich unterschätztesten Thrash-Metal-Bands. Nach gesundem Menschenverstand sollte „Heresy“ zu den großen Klassikern des Genres gehören und auch seitdem gab es aus dem Hause Paradox immer qualitativen technischen Power-Thrash zu hören. Wenn auch stets verfolgt von gesundheitlichen Rückschlägen und Line-Up-Problemen. Doch auch ganz ohne Line-Up ist Paradox nicht aufzuhalten und mit „Mysterium“ hat Charly ein weiteres starkes Album geschaffen. Der sterile Drum-Sound und die resultierende kalte Produktion sind ein leichter Dämpfer, dennoch haben es die Songs in sich. Die technisch-präzisen Riffs sind treffsicher, die Soli schmackhaft und die Stücke haben die richtige Dynamik, um auch bei längeren Laufzeiten bei der Stange zu halten. „Fragrance of Violence“, „Abyss of Pain and Fear“ und der Titeltrack haben großartige Refrains und besonders letzterer gehört zu den größten Anspieltipps. In einem starken Thrash-Jahr besteht „Mysterium“ mit Leichtigkeit und kann die letzte Sodom für mich locker in die Tasche stecken. Lediglich Warbringer und – so viel möchte ich schon mal sagen – Coroner haben für mich noch um einiges stärker abgeliefert.
R.I.P. Axel Blaha!
Cover & Tracklist
01 Kholat (6:05)
02 Abyss of Pain and Fear (7:28)
03 Grief (1:13)
04 Those Who Resist (5:50)
05 One Way Ticket to Die (5:13)
06 Pile of Shame (5:01
07 Tunguska (1:17)
08 Fragrance of Violence (5:38)
09 Mysterium (6:31)
10 The Demon God (7:06)
11 Within the Realms of Gray (CD Bonus) (6:11)
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Bildnachweis: High Roller Records.
+ Starke Gitarrenarbeit
+ Packendes Songwriting
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