Warbringer – John Kevill über „Wrath and Ruin“ und seine liebsten Thrash-Bands
Warbringer gehören zweifelsohne zur Speerspitze des modernen Thrash Metals und veröffentlichten mit „Wrath and Ruin“ kürzlich ein echtes Hammeralbum. Einen Monat später ging es dann mit Decapitated, Cryptopsy und Carnation quer durch Europa. Nach einem kurzen, aber eindrucksvollen und intensiven Auftritt im Hamburger Logo (hier geht’s zum Konzertbericht), habe ich mich mit Sänger John Kevill draußen zum Interview getroffen.
Eure Show war der Wahnsinn! Von mir aus hätte es gerne noch eine Stunde länger gehen können. Wie geht’s dir direkt nach dem Auftritt?
Ziemlich gut, wir sind jetzt schon eine Weile dabei. Ich hatte in der letzten Woche eine Art Brustverstopfung und war sehr krank. Ich hatte beim Schreien so ein merkwürdiges Kribbeln im Hals, das hat natürlich nicht so viel Spaß gemacht. Aber abgesehen davon war alles gut. Ich mag diese Shows sehr bei denen es sehr nah und persönlich ist und bei denen man direkt in die Gesichter der Leute schreit.
Die Tour läuft jetzt schon eine ganze Weile. Wie hältst du deine Stimme in Form bei solch langen Tourneen?
Es gibt natürlich Sachen wie: Viel Wasser trinken, genug schlafen, usw. Aber es ist auch nun mal so, dass ich das jetzt seit Ewigkeiten mache und es deswegen einfach kann. Es gibt schlechte Tage, an denen ich nicht so sehr mag, wie ich klinge, trotzdem aber klingt es dann immer noch größtenteils so wie man es von unseren Alben kennt. Ich trinke nicht so viel Alkohol auf Tour, ich rauche nur hier und da ein bisschen Gras. So zu singen tut immer etwas weh, aber das bin ich gewohnt, da ich es schon so lange mache. Die größte Herausforderung sind immer die hohen Schreie. Aber bei einem so kurzen Set wie auf dieser Tour gab es nur wenige Tage, an denen ich Probleme hatte. Wenn das Monitoring gut ist, ist es sehr leicht für mich. Wenn es nicht gut ist, schaffe ich es meist trotzdem irgendwie, weil ich einfach schon tausende Shows gespielt habe. Manchmal wärme ich meine Stimme vor der Show auf, manchmal kaum, aber die Stimme ist trotzdem immer da. Es ist wie ein Schalter, der umgelegt wird, sobald die Show losgeht.
Gibt es einen speziellen Song, der dir live am meisten Spaß macht?
Spaß machen sie mir alle. Die schwereren sind die Songs mit superschnellen, pausenlosen Vocalparts. Zum Beispiel die Mitte von „Voe to the Vanquished“ oder der gesamte Song „Total War“. Ich versuche stets die Aussprache und die Energie aufrechtzuhalten, was sehr schwer ist und ich komme dabei stark ins Schwitzen und muss zwischendurch tief durchatmen, aber viel Spaß bringt mir das trotzdem. „Remain Violent“ macht immer sehr viel Spaß, der ist immer in unserer Setlist. Seit kurzem spielen wir „Neuromancer“ vom neuen Album, auf dem ich in so eine tiefere, fast schon Death-Metal-mäßige Richtung gehe, was ich mir live sehr schwierig vorgestellt habe, aber zu meiner Überraschung fällt es mir extrem leicht und ich habe eine Menge Spaß dabei. Er ist etwas langsamer und ich kann jedem Wort mehr Raum lassen. Der Song war eine sehr coole, spaßige Bereicherung für unsere Setlist, weil er für mich etwas ganz anderes ist.
Euer neues Album „Wrath and Ruin“ ist für mich euer vielleicht bestes Album bisher. Gibt es einen Song, auf dessen Lyrics du besonders Stolz bist?
Es gibt ein paar Songs, die in meinen Augen etwas ganz Neues zur Band und vielleicht auch zum Genre hinzufügen. Songs über sozialwirtschaftliche und psychologische Themen, speziell „A Better World“ und „Cage of Air“, die sehr anders sind als alles, was wir bisher gemacht haben und auf diese bin ich besonders stolz. „A Better World“ wird sehr durch die Lyrics angetrieben und ich bin sehr glücklich mit dem Lied und dass ein Stück mit so einem Titel, so deprimierend sein kann. „Cage of Air“ ist, glaube ich, mein Lieblingssong auf dem Album. Es ist nur schwer ihn in einem Liveset unterzubringen, wenn man nicht so viel Zeit hat. Er hat viele verschiedene Parts, einige Black-Metal-Einflüsse und eine sehr dichte, finstere Stimmung.
Der Mittelteil ist sehr persönlich für mich. Ich habe vor ein paar Jahren Los Angeles verlassen und bin mit meiner Frau in die Wälder gezogen. Man kommt dort an und versucht näher mit der Natur und mit einem selbst verbunden zu sein, aber der lange Arm der Wirtschaft greift einen früher oder später trotzdem und zwingt einen ins System zurück. Der Song versucht dieses Gefühl zum Ausdruck zu bringen. Er besteht zum einen aus Sozialtheorie und zum anderen aus Cyberpunk und Science-Fiction, was in meinen Augen viel miteinander zu tun hat.
Das Artwork zum Album wurde wieder vom legendären Andreas Marschall gestaltet. Wie sieht die Zusammenarbeit mit ihm aus, um ein solches Cover auf die Beine zu stellen?
Andreas Marschall ist jemand, der nicht viele Anweisungen braucht, wie ich festgestellt habe. Wir haben jetzt zum dritten Mal mit ihm zusammengearbeitet, weil wir wirklich lieben, was er bisher für uns gemacht hat. Jedes seiner Artworks für uns hat etwas von einem großen Monument.
Es erinnert mich etwas an „The Jester Race“ von In Flames.
Ja, das habe ich schon öfter gehört, haha. Aber das nehme an, das ist cool. Auf allen drei Alben ist im Grunde eine Art Monolith zu sehen, der das Thema des Albums widerspiegelt. Hier haben wir diese glänzende, utopische Stadt im Himmel und darunter sind überall Slums und Ruinen zu sehen. Darum geht es auf dem Album. Klassen sind ein großes Thema auf „Wrath and Ruin“. Milliardäre versuchen herauszufinden, wie sie die Erde Richtung Weltall verlassen können und lassen dich und mich allein mit den Konsequenzen der Welt, die sie geschaffen und zu verantworten haben. Das drückt dieses Cover aus. Eine futuristische Stadt herausragend aus einem kaputten Ödland.
Jedenfalls gebe ich Andreas dieses grobe Konzept und sende ihm vielleicht noch um die 20 Bilder. Verschiedene Gemälde beispielsweise von Cyberpunk-Städten oder echte Fotos von zerfallenen, maroden Städten. Dann sendet er mir eine Skizze und das war’s. Der ganze Prozess ist also: Ich sende ihm eine E-Mail, er sendet eine zurück, wir segnen die Skizze ab und dann kommt das fertige Cover. Er braucht einfach ein Signal von mir, dann tut er das was er tut und ich liebe das was er tut.
Was ist in deinen Augen die beste Thrash-Metal-Band die es gibt?
Kommt ganz auf die Stimmung an. Will man es melodischer, technischer, brutaler und so weiter… Ich versuch’s mal mit drei: Die ersten vier Slayer, die ersten fünf Kreator und die ersten beiden Demolition Hammer. Das sind für mich die wichtigsten. Ich würde auch noch Sodom hinzufügen, genau wie Sacrifice aus Kanada, besonders Album Nr. 2 und 3. Das gehört für mich zur Speerspitze des Thrashs. Außerdem das dritte Album von Artillery.
Ja, man!
Darüber hinaus gibt es natürlich noch offensichtliche Sachen wie Metallica, Megadeth und so weiter, die logischerweise klasse sind, aber das ist nun mal nicht alles. Es ist großartig, man sollte es kennen, wenn man Metal hört und tut es wahrscheinlich sowieso schon, aber es gibt einfach so viel mehr verschiedenes Zeug, dass in alle möglichen Richtungen geht. Thrash kann sehr breitgefächert sein. Sehr viel mehr als Leute oft zu glauben scheinen. Da gibt es schließlich noch Sachen wie Coroner oder Watchtower, die auch zum Thrash gehören. Unser eigener Ansatz ist, das Thrash-Genre zu nehmen und die Frage zu stellen: Was wenn die ganzen Bands damals nicht irgendwann angefangen hätten, Groove Metal zu spielen, sondern wenn sie das Genre nach 1993 oder so weiterentwickelt hätten und miteinbezogen hätten was um sie herum im Black Metal, Death Metal und so weiter passiert ist.
Ich glaube, genau das ist einer der Faktoren, der Euch zu eine der allerbesten modernen Thrash-Bands macht, da Ihr nicht bloß in die 80er zurückgeht und den damaligen Sound nachspielt, sondern das Genre und Euch selbst wirklich weiterentwickelt.
Genau, ich glaube „moderner Thrash Metal“ ist eine gute Beschreibung für das, was wir tun. Es hat seine Wurzeln in der alten Schule. Da kommen wir her. Wir kommen nicht aus dem Metalcore oder ähnlichem, sondern aus dem Old-School-Metal und wir versuchen ihn weiterzudenken. Für mich ist diese Musik kein bloßes nostalgisches Relikt, sondern sie spricht mich immer noch an und ist immer noch relevant. Und das versuche ich voranzubringen. Das ist die Mission dieser Band.
Letzte Frage: Unser Magazin hört auf den Namen Moshpit Passion. Gibt es irgendeine besondere Moshpit-Erfahrung, vielleicht sogar von dieser Tour, die dir besonders im Kopf geblieben ist?
Heute in Hamburg bin ich selbst in den Moshpit gesprungen und das hat großen Spaß gemacht. Ich habe eine große Passion für Moshpits und wenn es keinen gibt, bin ich angepisst, haha. Dann springe ich eben selbst in die Menge und sorge dafür, dass die Leute abgehen.
Danke für das nette Interview!
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Bildnachweis: Alex Solca.