Decapitated, Cryptopsy, Warbringer & Carnation – Live in Hamburg
Es gibt so Tourneen bei denen man als Fan extremen Metals nur schwer widerstehen kann. „Infernal Bloodshed Over Europe 2025″ ist genau so eine. Mit den polnischen Tech-Death-Stars Decapitated als Headliner und Cryptopsy, Warbringer und Carnation im Gepäck ist das Gespann von Anfang Mai bis Juni in ganz Europa unterwegs und hat am 28. Mai im prall gefüllten Hamburger Logo Halt gemacht.
Carnation
Den Anfang machen die Belgier von Carnation, die Death Metal der alten Schule bringen und dabei vor allem auf schwedisch geprägten HM2-Sound setzen. Wuchtige Kettensägen-Gitarren, derbes Geholze und Vocals die stimmlich doch sehr an den guten Corpsegrinder erinnern. Die Klargesang-Experimente des letzten Albums „Cursed Morality“ lässt man an dem Abend außen vor. Es gibt ausschließlich auf’s Maul und das macht in der knappen halben Stunde eine Menge Spaß und sorgt für einen guten Einheizer.
Warbringer
Meine Stars des Abends sind Warbringer aus Los Angeles, die im April mit „Wrath and Ruin“ ein fantastisches Album ablieferten und auch live jede Menge hermachen. Auch wenn mich die Abwesenheit von Überdrummer Carlos Cruz (Nails) anfangs doch etwas enttäuschte, bringen die Amis so viel Energie auf die Bühne, dass man sich dieser kaum entziehen kann. An Cruz‘ Stelle hockt auf der Tour der ehemalige Vektor-Schlagzeuger Blake Anderson, der dessen Position alle Ehre macht. Sänger John Kevill (mit dem ich im Anschluss ein nettes, entspanntes Interview führen konnte; hier zu lesen) hat, nicht nur durch seine mächtigen Vocals, eine Wahnsinnns-Bühnenpräsenz und konnte es sich nicht verkneifen in die Menge zu springen und den Moshpit höchstpersönlich einzuweihen. Den Anfang macht die Abrissbirne „Firepower Kills“ und auch die (leider nur zwei) Stücke des neuen Albums, „Neuromancer“ und „The Sword and the Cross“ sind live ein echtes Fest. In meinen Augen die stärkste moderne Thrash-Metal-Band. Sowohl auf Platte als auch auf der Bühne.
Cryptopsy
Aufgrund meines Interviews mit Kevill konnte ich leider nur wenig von den Kanadiern von Cryptopsy mitbekommen. Was ich jedoch sehen konnte – darunter den Klassiker „Phobophile“ als Abschluss – hatte es jedoch gewaltig in sich. Mein Drummer-Kumpel ist aus der Ekstase, Legende Flo Mounier hautnah erleben zu können, gar nicht mehr rausgekommen. Den konnte ich leider gar nicht erblicken, da sich der Schuppen doch inzwischen bis auf den letzten Quadratmeter massiv gefüllt hatte. Ein paar fotografische Eindrücke der Show konnte ich aber immerhin noch festhalten.
Decapitated
Die großen Headliner sind Decapitated aus Polen. Die Technical-Death-Metal-Truppe um Ausnahmegitarrist Vogg hat mit dem Finnen Eemeli Bodde einen neuen Sänger in ihren Reihen. Für mich ist es der allererste Eindruck von Bodde als neuer Frontmann und er schlägt sich außerordentlich gut. Live sind Decapitated mittlerweile sehr auf Hochglanz poliert und wirken perfekt durchproduziert. Pompöse, epileptikerfeindliche Lichtshow, alles tight nach Click und durchgehend ist eine zweite Gitarre als Backing-Track zu hören. Klar, Vogg ist der Star der Band, aber warum nicht einfach einen Livegitarristen auf die Bühne holen? Oder es ganz sein lassen? Dem Live-Feeling geht das ganze für mich persönlich doch etwas entgegen. Musikalisch wäre das, was die Polen vom Leder lassen, auch ohne den ganzen Schnickschnack absolut beeindruckend. Decapitated live zu sehen ist irgendwie immer auch ein zweischneidiges Schwert.
Das gilt auch für die Setlist. Die ist nach wie vor geprägt vom aktuellen Album „Cancer Culture“ und auch sonst konzentriert man sich immer lieber auf die Zeit nach dem Band-Neustart 2009. Das gefühlt immer etwas untergehende Drittwerk „The Negation“ wird immerhin mit zwei Stücken bedacht. Die Death-Metal-Meisterwerke „Winds of Creation“ und „Nihility“, die ich zu jeder Zeit auf eine Stufe mit Cryptopsys „None So Vile“ stellen würde, kommen mit jeweils einem Song – gerade weil diese Alben so unglaublich gut sind – doch ärgerlich kurz. Aber: „Spheres of Madness“ live zu hören ist doch jedes Mal eine wahre Freude. Und in den alten wie neuen Songs macht Eemeli Bodde eine wirklich gute Figur als neuer Sänger. Das ganze Drumherum und die Setlist sind jedoch Geschmackssache. Für mich als jemand, der frühe Decapitated für eine der besten Tech-Death-Bands überhaupt und neue Decapitated für eine solide, anhörbare Modern-Groove-/Death-Kombo hält, wünschte ich doch, die Prioritäten der Polen würden sich etwas verschieben, aber da werden die Meinungen auseinandergehen. Spaß macht das krasse Geholze natürlich trotzdem.
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